Donnerstag, 15. Juli 2010

Start in der neuen Praxis


Diesmal geht es u.a. um:


Fahrt von Levin nach Hamilton

Nachricht vom Medical Council

Start in der neuen Praxis

Ausflug nach Tauranga und Coromandel





03.07.10 Bahn- (und Bus-) fahrt von Levin nach Hamilton


Für die Fahrt nach Hamilton habe ich mir, wie ich finde, die bequemste Art zu reisen ausgesucht. Der Zug von Tranz Scenic (www.tranzscenic.co.nz) hält pünktlich um 9.00 Uhr in Levin. An diesem Morgen sind nicht viele Reisende auf dem Bahnsteig versammelt. Nur fünf andere Leute steigen mit mir zusammen in den Zug ein, der in Richtung Auckland fährt. Es ist auch der einzige Zug, der heute überhaupt fährt. Bahn fahren scheint nicht zu den Lieblingsbeschäftigungen der Neuseeländer zu gehören.


Bis Palmerston North fahre ich durch bekanntes Gebiet. Ich bin oft genug die Strecke mit dem Auto gefahren, aber jetzt brauche ich nicht selber zu lenken und kann endlich die schöne Landschaft genießen, ohne auf die Straße achten zu müssen.


In Palmerston North gibt es eine Durchsage, die meine Begeisterung für’s Bahn fahren etwas dämpft:


Auf der Strecke vor uns ist ein Zug entgleist. Alle Passagiere werden mit Bussen zum übernächsten Bahnhof transportiert. Dort geht es mit dem Zug weiter.


Na das klingt ja nach einer längeren Verzögerung. Das Zugpersonal bleibt gelassen und kümmert sich um unser Gepäck, welches im Gepäckabteil untergebracht ist. Kurze Zeit später stehen vier bequeme Reisebusse am Bahnsteig, die uns zusammen mit dem Gepäck aufnehmen. Wir fahren entlang der Bahnstrecke ca. drei Stunden zu dem angekündigten Bahnsteig, wo schon der Zug auf uns wartet. Kurze Zeit später geht es weiter in Richtung Hamilton.


Die Landschaft ist wirklich atemberaubend. Stundenlang fahren wir durch weite, menschenleere Gebiete. Über Lautsprecher wird erklärt, welche Berge, Flüsse oder andere Sehenswürdigkeiten demnächst auftauchen. Man kann auch, wenn man möchte, auf die Aussichtsplattform gehen. Draußen ist es aber so erbärmlich kalt, dass ich es vorziehe, schön im Warmen sitzen zu bleiben und die Landschaft an mir vorbeiziehen zu lassen.


Als wir in Richtung Hamilton kommen, wird es schon dunkel und Nebel zieht auf, so wie mir angekündigt wurde.


Gegen 18.00 Uhr erreichen wir unser Ziel, etwa eine Stunde später als geplant. Mit dem Taxi fahre ich zum gebuchten Hotel.


Am nächsten Morgen hole ich meinen Mietwagen ab, den ich für die nächsten 14 Tage gestellt bekomme. Ein kleiner roter Mazda-Flitzer, der mir die nächste Zeit gute Dienste leisten wird.



04.07.10 Fahrt nach Putaruru


Die Fahrt von Hamilton nach Putaruru führt duch ein sehr ländliches Gebiet. Nach etwa einer Stunde treffe ich bei der Praxis ein, wo ich schon erwartet werde.


Trisch, die Praxismanagerin, begrüßt mich und zeigt mir die Praxisräume, in denen ich am Montag anfangen werde, so bald das OK vom Medical Council vorliegt.


Anschließend bringt sie mich zu meiner Unterkunft und stellt mich meiner Vermieterin Hilary vor. Ich wohne in einem Steinhaus (ungewöhnlich in einem Erdbebengebiet) und habe eine riesige Wohnung mit Terrasse zur Verfügung. Ich kann es kaum glauben, so schön untergebracht zu sein. Na, dafür hat sich die lange Anreise doch schon gelohnt.









05.07.10 Start in der neuen Praxis


Alle Praxismitarbeiter heißen mich herzlich willkommen. Ich werde ausgesprochen freundlich aufgenommen. Jeder ist hilfsbereit, mir den Einstieg in die Arbeit so angenehm wie möglich zu gestalten. Ich merke sofort, die Praxis ist darauf eingestellt, neue Locums, so heißen die Vertretungsärzte hier, in die Arbeit mit dem Computersystem sowie die vielen Formulare einzuarbeiten.


Ich lerne den Kollegen kennen, der mich in nächster Zeit als Supervisor begleiten und unterstützen wird. Auch von ihm erfahre ich eine ausgesprochen freundliche Offenheit. Mit jeder Frage kann ich mich jederzeit an ihn wenden.


Dann, im Laufe des Vormittags, kommt endlich die Nachricht vom Medical Council:


„Dear Dr Pangritz,

I am pleased to inform you that your registration with MCNZ has been granted.“


Meine Registrierung ist genehmigt, ich darf als Hausarzt anfangen zu arbeiten!!!

Endlich geschafft. Mir fällt ein Stein vom Herzen.


Ich kann meinen Rückflug, der für den 11.07. gebucht war, umbuchen und werde das nächste Jahr hier arbeiten können. Das ist ein Grund zum Feiern. Doch dazu komme ich erst mal nicht, denn nachmittags sehe ich meine ersten Patienten...


Mein Eindruck in den ersten Tagen hier ist, dass die Patientenanliegen eigentlich die gleichen sind, wie in Deutschland. Ich sehe vom kleinen Kind bis zum alten Menschen alle Altersgruppen mit jeder Art von Anliegen, akute und chronische, leichte wie auch komplexe Gesundheitsprobleme. Auch hier gibt es viele Formulare, leider. Aber die (meisten) Leute sind sehr nett und ohne Bürokratie geht es wohl heute wirklich nicht mehr.


Dafür habe ich sehr angenehme Arbeitszeiten, von 8.30 bis 12.30 und 14.00 bis 17.00 Uhr, dann ist Feierabend, wovon ich in Deutschland nur träumen konnte. Keine Nacht- und Wochenenddienste. Der Bereitschaftsdienst ist hier sehr gut organisiert, so dass niemand unversorgt ist. Mittwochs habe ich von 17.00 bis 20.00 Uhr Notdienst. Danach übernimmt eine zentrale Notdienststelle die Versorgung.



07.07.10 Morgens Dienst in der Zweigpraxis, Nachmittags „On Call“ Bereitschaftsdienst


Im Nachbarort, in Tirau, gibt es eine Zweigpraxis, in der ich die nächsten Vormittage Dienst haben werde. Das Computersystem ist mit der Hauptpraxis verbunden, so dass ich auf alle Patientendaten zugreifen kann. Am Nachmittag arbeite ich wieder in der Hauptpraxis in Putaruru.


Die Praxis versorgt ca. 7.500 Patienten und ist hier die einzige Anlaufstelle für Gesundheitsprobleme aller Art, d.h. auch akute Notfälle werden hier versorgt. Man hat immer die Möglichkeit, Akutpatienten mit dem Krankenwagen in das nächstgelegene Krankenhaus bringen zu lassen.


Der Notdienst verläuft zum Glück ruhig. Es kommen nur drei Patienten mit einfachen Gesundheitsproblemen. Trotzdem bin ich froh, um 20.00 Uhr die Rufumleitung des Diensthandy einschalten zu können, man weis ja nie, was für ein Notfall eintreffen könnte...


Die nächsten Tage vergehen mal wieder wie im Fluge. Ich arbeite mich langsam in die Tagesroutine ein, die Formulare werden mir langsam vertrauter, ich muss nicht mehr ganz so häufig nachfragen, wenn ein neues Problem gelöst werden soll. Schnell ist der Freitag da und damit ein freies Wochenende mit super Sonnenschein. Da möchte ich doch die Gelegenheit für einen kleinen Ausflug nutzen.



09.07.10 Besuch in Tauranga


Morgens fahre ich von Putaruru in Richtung Tauranga los, ca. eine Stunde Fahrtzeit liegt vor mir. Es ist noch sooo kalt draußen, dass der Morgentau stellenweise gefroren ist. Die Kühe, die ich auf den Feldern sehe, dampfen jedenfalls ganz schön.


Der Weg nach Tauranga führt über die Bergkette, die auf dem nächsten Bild am Horizont zu sehen ist





Und die Straßen ziehen sich endlos so dahin, kaum Autos unterwegs. Man darf ja "nur" höchstens 100 km/h fahren, was bei den vielen Kurven schon das maximal Mögliche ist. An die gemütliche Fahrweise habe ich mich schnell gewöhnt.





Das gibt es auch nur in Neuseeland, dass Fahrradfahrer auf der Autobahn unterwegs sind. In Wellington hatte ich das Gleiche schon mal gesehen. Da dachte ich noch, die hätten sich verirrt, aber das scheint normal hier zu sein.


Der kleine Berg im Hintergrund ist mein Ziel, welches ich eigentlich nur durch Zufall gefunden habe. Ich wusste nicht, was es hier Besonderes zu sehen gibt, habe also TomTom nur eingegeben, in welche Stadt ich fahren will und bin dann vor Ort nach Hinweisschildern weitergefahren.


Irgendwann stand da etwas von Mt. Maunganui, das musste ich mehr als zweimal lesen um es aussprechen zu können.




Erst mal ging es durch ein ziemlich hässliches Industriegebiet, so das ich schon dachte, ich sei verkehrt hier, aber plötzlich sah ich ein Schild Richtung „Beach“ und dachte mir, da will ich hin. Das rote Auto ist übrigens mein Leihwagen.





Na, ist d a s nicht ein Strand? :-))


Mit dem Wetter habe ich jedenfalls großes Glück, die ganze Woche war es schon so schön und auch für die nächste Zeit ist Sonnenschein angekündigt.





Die erst halbe Stunde habe ich erst mal nur am Strand gestanden, geguckt und unendlich viele Fotos gemacht.




Auf den Berg bin ich anschließend raufgekraxelt. Ich wusste zwar überhaupt nicht, wie ich dort hochkommen sollte, hab dann einfach im Ort jemanden gefragt, welches der beste Weg rauf ist. Der älterer Herr, den ich ansprach, fragte mich erst mal ob ich überhaupt fit genug sei, und erzählte mir dann ganz ausführlich, wie ich gehen und welche Abzweigung ich nehmen sollte, um den besten Ausblick zu haben. Die sind hier alle total entspannt und nett :-)





Da bin ich noch nicht auf dem Berg, sondern sitze ganz entspannt auf einem der Felsen und genieße den Ausblick...




Jetzt bin ich aber auf dem Weg nach oben. Haben die Schafe nicht eine tolle Aussicht um sich herum?

Die Bank konnte ich gut gebrauchen. Ist doch ganz schön anstrengend, die ganze Zeit bergauf zu gehen.




Der Strand auf der anderen Seite war völlig menschenleer. Die Küste ist hier doch so weitläufig, dass auf weiten Strecken das Gelände völlig unbebaut ist (zum Glück).




Auf diesen Serpentinenwegen ging es immer weiter hoch, puh...

Ich war aber nicht der Einzige, der gestöhnt hat.




Da freut sich aber einer, dass er endlich oben auf dem Berg steht und diese schöne Aussicht genießen kann :-)




Aber man muss ja auch wieder runter, das geht in die Knie...




Stufen und noch mehr Stufen, und schöne Bäume, da muss ich doch noch ein paar Fotos machen...




Endlich wieder unten. Hinterher ist alles gar nicht so schlimm (bis auf die Waden und Knie), aber was macht man nicht alles für einen schönen Ausblick.





10.07.10 Coromandel


Sonntag früh, also heute, hab ich mir den Wecker auf 7.00 Uhr gestellt, weil ich etwa 2,5 Stunden reine Fahrtzeit nach Coromandel (Stadt) vor mir habe.


Die erste Stunde geht es ziemlich gerade über Landstraßen, aber sobald man auf der gleichnamigen Halbinsel ist, gibt es eigentlich nur eine Küstenstraße, die sich schlängelnder Weise um die ganze Halbinsel zieht. Das ist echte Knochenarbeit, ständig eine Kurve nach der anderen.


Bin ca. um 8.15 Uhr losgefahren und abends erst gegen 18.00 Uhr wieder zurück in Putaruru gewesen. Reine Fahrtzeit waren ca. sieben Stunden, mit ganz vielen Pausen, weil ich an jeder nur möglichen Ecke angehalten habe. So schön war es überall.


Das Angebot an Haltemöglichkeiten, für einen Blick auf die wunderschöne Landschaft entlang der Straßen, ist in Neuseeland nicht so üppig. Eigentlich müsste nach jedem Kilometer ein Aussichtspunkt eingerichtet werden, was natürlich nicht geht.


Wenn mal ein Rastplatz angelegt ist, dann garantiert an der uninteressantesten Stelle, die man sich vorstellen kann. Und zu sehen gibt es dort meistens auch nix. Aber, es gibt viele Haltebuchten. Wahrscheinlich als Nothalt gedacht oder um andere Fahrzeuge vorbeizulassen. Eine dieser Haltebuchten habe ich dann immer angesteuert, häufig auch einfach nur am Straßenrand gehalten.




Auch heute wieder gefrorener Tau auf den Wiesen...




Und so eine schöne Aussicht




Da ist endlich wieder das Meer. Es gibt viele Strände/Buchten, die so steinig sind wie hier.

Auf der anderen Seite der Halbinsel sind die schöneren Sandstrände gelegen. Und alles ist völlig menschenleer!




Ab hier geht es nur noch in Schlangenkurven weiter, teilweise mit verengten Fahrbahnen, teilweise mit "one way bridge" über kleine Bachläufe, d.h die Fahrbahn ist auf eine Spur verengt, so dass nur ein Fahrzeug die Brücke passieren kann, während das entgegenkommende Fahrzeug warten muss.


Irgendwann denkt man, gleich hört die Straße auf. Aber nix da, es geht immer kurvig und munter weiter. Und an jeder Ecke knipse ich natürlich ein Foto:-)


Manchmal denke ich, diese hutzeligen Bäume, die teilweise bedrohlich über die Straße ragen und so aussehen, als wenn sie gleich runterkommen, die können doch gar keinen Halt mehr in dem ausgewaschenen Gestein haben.


An einigen Stellen sieht man auch, dass Geröllmassen vom letzten Erdrutsch gerade weggeräumt worden sind. Bloß gut, dass heute kein Schietwetter ist, so mit Regen und Sturm. Dann hätte ich nicht so recht Lust, hier lang zu fahren.




Sooo sehen Kurven aus...




Und das ist der Blick in die Umgebung unter mir. Da haben ganz viele Kühe und Schafe noch ganz viel Platz.




An den ausgetretenen Berghängen sieht man, dass hier schon viele Schafe gegrast haben.




Ist jetzt zu verstehen, warum ich an jeder Ecke angehalten habe?




Das, was im nächsten und übernächsten Bild so kuddelmuddelig aussieht ist der natürliche Wald.


Ein bisschen was davon haben die Farmer übrig gelassen, wahrscheinlich dort, wo sie mit ihren Schafen und Kühen nicht hin kamen.


Wie man hier wohnen kann, ist mir allerdings ein Rätsel. Wenn ich mir vorstelle, ich müsste wegen jedem Einkauf diese ganze Küstenstraße entlang fahren, da würde ich mir aber ganz genau überlegen, was auf der Einkaufsliste steht.


Oder mal eben nach Auckland fahren, geht auch nicht so ohne weiteres.

Aber gefühlte Entfernungen sind hier sowieso etwas anderes.


Ich glaube, die Leute richten sich einfach drauf ein und fahren wahrscheinlich nur dann los, wenn der Einkaufszettel voll ist :-)




Blick auf einen der Nationalparks. Das man sich darin verlaufen kann, glaube ich, ohne es je erfahren zu wollen.




Da steige ich doch lieber wieder in mein kleines spritziges rotes Auto ein und kurv die Straße entlang...




Ich glaube, die Vögel sind ganz froh, dass ich nicht näher zu ihnen herüberkommen kann.

Sie sonnen sich und halten die ganze Zeit die Flügel auseinander.




Die Natur holt sich alles zurück bzw. macht sich auch auf dem steinigsten Untergrund breit.

Wie da etwas wachsen kann, ist mir ein Rätsel ...






Die fand ich so schön, dass ich wenigstens ein Foto davon gemacht habe, wenn ich sie schon nicht mitnehme (sonst hätte ich noch mehr Übergewicht auf der Rückreise)




Da muss ich dann doch noch mal anhalten und gucken, was für ein Weg ausgeschildert ist.




Jetzt weis ich auch endlich, wie Kauribäume aussehen. Hatte die ganze Zeit gerätselt, aber da stehen die Beiden.


Es war ein Weg von ca. 20 Minuten ausgeschildert....




Als ich dann aber nach wenigen (vielleicht 50) Metern sah, wie „toll“ die Ausschilderung tatsächlich war, nämlich ab und zu mal ein kleines rotes Dreieck an einem Baum, ansonsten aber nur ein etwas ausgetretener Pfad, habe ich es doch vorgezogen, wieder umzukehren.

Kam mir ein bisschen vor wie im Dschungel von Malaysia. Nee, das muss ich heute nicht haben, mich im Urwald zu verirren :-)


Sollen sich doch andere verlaufen, ich fahr lieber mal schön nach Hause. Sind ja auch nur noch 130 km vor mir...




Ist das ein dicker Stamm?




Gegen 18.00 Uhr bin ich im Dunkeln zuhause angekommen. Für heute habe ich erst mal genug vom Autofahren.


Zum Schluss noch ein Bild von meiner täglichen Mittagspause.

So lässt es sich aushalten...



Freitag, 9. Juli 2010

Achterbahnfahrt der Gefühle


Diesmal geht es u.a. um:


Besuche in Wellington:

Konzertbesuche, Botanic Garden, Parliamentary Tours

Einführungskurs der NZLocums

Bürokratie in Neuseeland und in Deutschland

Untersuchungen und Formulare

Achterbahnfahrt der Gefühle:

Klappt es mit Hausarztzulassung, Arbeitsgenehmigung und Visum?






12.06.10: Lunch im „La Bella Italia“, Lower Hutt in Wellington

Abends Konzert des New Zealand Symphonic Orchestra („Russian Romantics“)


Dieses Wochenende verbringe ich in Wellington. Am Samstag Mittag bin ich von meiner zukünftigen Praxiskollegin und Ihrem Mann zum Essen eingeladen. Wir treffen uns beim Italiener „La Bella Italia“ in Wellington.


Auf dem Weg dorthin bricht einer dieser Sturzregen über mich herein, die so stark sind, dass man kaum 10 Meter weit gucken, geschweige denn die Straße erkennen kann. Das fängt ja gut an, denke ich. Wie der arme Motorradfahrer vor mir dabei noch weiterfahren kann ist mir ein Rätsel. Aber die Neuseeländer sind hart im Nehmen und solche Wetterkapriolen offensichtlich gewöhnt.


Viele Fahrzeuge halten am Straßenrand an und warten, bis der Sturzbach vorbei ist. Nach kurzer Zeit hat der Regen aufgehört und es kann weitergehen. So extreme Wetterwechsel wie hier habe ich noch nicht erlebt.



(Blick auf Kapiti Island)


Der Italiener ist gut besucht. Bei der leckeren Küche auch kein Wunder. Der Inhaber hat mit seinem Angebot genau den Nerv der Leute getroffen. In einer großen Halle werden alle möglichen italienischen Nahrungsmittel und Spezialitäten angeboten und im gleichen Verkaufsraum kann man sich an einen der vielen Tische setzen und sich die Köstlichkeiten servieren lassen. Also eine Mischung aus Verkaufsraum und Restaurant. Man fühlt sich von der Atmosphäre tatsächlich wie in Italien.


Für Gäste, welche noch mehr Italien-Atmosphäre wünschen bietet der Inhaber auch Reisen nach Italien an, bei denen er seine Kunden in seinen Heimatort persönlich begleitet und das „richtige“ Italienerlebnis vermittelt.


Wir sind schon mit dem zufrieden, was uns vor Ort geboten wird und genießen neben Antipasti einen ganzen Fisch, Pasta und einen leckeren Valpolicella ...



(Wellington)


Anschließend fahre ich in mein Hotel, welches ich für die kommende Nacht in Wellington gebucht habe. Nach dem Konzertbesuch möchte ich nicht mehr mit dem Auto nach Hause fahren, wenn es draußen stockdunkel ist. Außerdem gibt es z. Zt. Wochenendspecials (es ist Winterzeit), mit moderaten Preisen

(114,- NZ $, ca. 64,- € /Nacht). Frühstück und Parkplatz sind im Preis inbegriffen.

Da kann man nicht meckern!





Das Konzert am Abend mit Musik von Tschaikowsky und Rachmaninov ist sehr schön, ein echter Genuss für die Ohren. Wenn ich die Aufführungen hier mit denen in Hannover vergleiche, habe ich den Eindruck, dass die Musiker in Wellington etwas entspannter sind. Vor Beginn der Aufführung wird auf der Bühne munter vor sich hin gefiedelt, alle haben Spaß. Eine Cellistin hat blau gefärbte Haare, bei den Symphonikern in Hannover nicht denkbar, habe ich jedenfalls dort noch nicht gesehen.


Sobald der Dirigent auf der Bühne erscheint herrscht volle Konzentration. Die Qualität der Aufführung hat Spitzenniveau. Die Musiker haben sich den Riesenapplaus wirklich verdient! Die Stunde Fahrt hierher hat sich gelohnt :-)


Auf dem Weg zurück zum Hotel gehe ich durch die Cuba Street, eine Straße mit diversen Kneipen und Restaurants. Es sind viele junge Leute unterwegs. Überall wird ordentlich gefeiert. Die Kopfschmerzen von einigen Leuten in den Kneipen möchte ich am nächsten Morgen aber nicht haben.





13.06.10: Botanic Garden


Ich genieße am nächsten Morgen nach dem Frühstück, dass ich die ganze Stadt für mich alleine habe. Es sind kaum Menschen auf den Straßen unterwegs. Nach ca. 20 Minuten Spaziergang bin ich am Cable Car angekommen und fahre hoch zum Botanischen Garten, den ich mir die nächsten Stunden ansehen werde.





Das Wetter ist ideal für eine ausgedehnte Wanderung durch den riesigen Park.




Der Botanische Garten ist sehr abwechselungsreich angelegt. Vielleicht kann das niemand nachvollziehen, aber mir macht es viel Spaß durch die Gartenanlagen zu gehen und all die interessanten Bäume und Pflanzen, von denen es hier mehr als genug gibt, zu bestaunen und mal wieder ganz viele Fotos von Bäumen und einer zauberhaften Landschaft zu machen.


Da sagen doch Bilder wieder mehr, als alle weiteren Worte...








Einführungskurs der NZLocums am 14.06.10


Heute ist es endlich so weit. In Wellington findet der Vorbereitungskurs statt, bei dem ich erfahren soll, wie das neuseeländische Gesundheitssystem organisiert ist, welche Besonderheiten es gibt und was man tun sollte, um sich für eventuelle Behandlungsfehler abzusichern.



(Wellington Botanic Garden)


Ich habe alles vorbereitet, nachgesehen, welchen Zug ich nehmen muss. Parken ist ein echtes Problem in Wellington, es sei denn, man ist bereit, dem Parkhausbesitzer den Lebensabend zu finanzieren. Deshalb möchte ich pünktlich beim Bahnhof sein, um mit dem Vorortzug nach Wellington zu fahren.



(Wellington Botanic Garden)


Den Wecker habe ich vorsichtshalber gestellt um früh genug loszukommen. Womit ich nicht gerechnet habe ist - eine zugefrorene Windschutzscheibe!


Alle haben mir immer versichert, nein hier wird es nicht wirklich kalt, jedenfalls gibt es keinen Frost in Levin. Aber gerade heute morgen, wo ich es am wenigsten gebrauchen kann, ist eine dicke Eisschicht auf der Frontscheibe. Und kein Eiskratzer weit und breit.

Wozu auch, es friert hier ja nie!


Mit einen Messer schaffe ich es dann doch noch, die Scheibe frei zu kratzen. Leider sind hinterher ein paar Kratzer bis in alle Ewigkeiten auf der Scheibe zu sehen. Ganz toll, und das muss ausgerechnet mir passieren. Also, jetzt aber nichts wie los.



(Wellington Botanic Garden)

Zum Bahnhof ist es eine halbe Stunde, wenn man gut durch kommt.

Natürlich sind alle Parkplätze in der Nähe des Bahnhofs schon belegt. Ein Stück weiter weg finde ich dann doch noch einen Platz.


Schnell zu Bahnhof laufen, da stehen schon riesige Trauben von Pendlern, der Zug kommt bestimmt gleich. Schnell noch ein Ticket (10,- NZ $) kaufen, da fährt auch schon ein Zug ein.


Geschafft. Ich habe sogar einen Sitzplatz. Der Zug sieht sogar richtig bequem aus. Mit mir zusammen sitzen lauter Leute, denen man ansieht, dass sie ins Büro fahren.


Als der Schaffner die Fahrkarte kontrolliert, muss ich leider feststellen, dass ich nicht in dem richtigen Zug sitze. Der fährt zwar auch nach Wellington, das Ticket, das ich gelöst habe, ist hier aber nicht gültig. Der Schaffner verkauft mir ein neues Ticket (11,50,- NZ $), das Andere kann ich heute Nachmittag für die Rückreise benutzen. Der Tag fängt ja schon gut an.


Zum Glück geht es den Rest des Tages reibungsloser weiter.

Ich treffe pünktlich bei den NZLocums ein.



(Wellington Botanic Garden)


Mit mir zusammen nimmt eine amerikanische Ärztin am Seminar teil. Sie will für drei Monate hier arbeiten und überlegt, ob sie danach vielleicht für längere Zeit bleibt.


Man kann ja nur bis zum 55. Lebensjahr die Immigration beantragen. Danach hat man keine Chance mehr, die Einreisegenehmigung auf Dauer zu erhalten.


Für die Kollegin ist der Aufenthalt insofern eine Erprobungsphase. Wenn es ihr gefällt, wird sie vielleicht mit ihrer Familie einwandern und bleiben...



(Wellington Botanic Garden)

Unser heutiges Programm besteht aus vier Themen


- Work & Income

- Accident Compensation Corporation (ACC)

- Immigration

- Medical Protection Society


Work & Income ist eine Form von Unterstützung für Neuseeländer, welche aus gesundheitlichen Gründen den eigenen Lebensunterhalt nicht oder nur teilweise erarbeiten können. Für sie gibt es Unterstützung in Form von Geld oder anderen unterstützenden Leistungen.


Für der Einschätzung, wie stark jemand aus gesundheitlichen Gründen in seiner Arbeitsfähigkeit eingeschränkt ist, sind die Ärzte gefragt, eine medizinisch begründete Stellungnahme abzugeben. Dafür gibt’s natürlich ein Formular, welches uns ausführlich vorgestellt wird.



(Wellington Botanic Garden)


Wir erfahren aber außer dem Formularwesen noch viele andere Dinge, in denen sich das neuseeländische Gesundheitssystem von dem Deutschen unterscheidet.


Der vielleicht größte Unterschied zu Deutschland besteht darin, dass Gesundheitsabsicherung hier eine staatlich garantierte Leistung ist. Deshalb gibt es in Neuseeland z.B. keine 150 Krankenkassen, d.h. die Neuseeländer bezahlen keine Krankenversicherungsbeiträge, sondern bezahlen bei jedem Arztkontakt eine Gebühr ungefähr zwischen 15 bis 30 NZ$.

Kinder, Ältere sowie finanzschwache Menschen sind davon befreit.



(Wellington Botanic Garden)

Es gibt keinen freien Facharztzugang (denn Fachärzte gibt es hier noch viel weniger als Hausärzte). Jeder Patient muss sich bei einer Praxis oder einem Arzt „einschreiben“. Dieser Arzt berät und entscheidet, d.h. koordiniert alle medizinisch notwendigen Untersuchungen und Behandlungen. Alle Befunde werden bei dem Hausarzt sehr sorgfältig gesammelt und ausgewertet. Der behandelnde GP (General Practitioner) kennt in aller Regel seine Patienten sehr gut, da er sie über viele Jahre betreut.



(Wellington Botanic Garden)


Überweisungen werden sehr zurückhaltend und nur gezielt ausgestellt, wenn vorher der Doktor mit dem Patienten ausführlich die Notwendigkeit erörtert hat. Viele Facharztuntersuchungen werden im Krankenhaus durchgeführt, da es nur sehr wenige frei praktizierende Fachärzte gibt.


Die Wartezeit für einen Termin bei staatlichen Ärzten kann sehr lange dauern, etwas schneller kann es gehen, wenn man bereit ist, die Untersuchung bzw. Behandlung privat zu bezahlen. Aber auch das ist kein Schutz vor Wartezeiten.



(Wellington Botanic Garden)


Die Accident Compensation Corporation (kurz ACC genannt) ist ein für deutsche Verhältnisse schwer nachvollziehbare, staatliche Versicherungsform. Jede Form von Unfall wird über diese Leistung abgedeckt. Der Begriff „Unfall“ wird dabei sehr weit gefasst. Wenn sich jemand beim Heben einer schweren Kiste den Rücken verletzt ist das genauso ein Unfall wie ein Auffahrunfall im Straßenverkehr. Auch Schäden durch Behandlungsfehler werden von ACC abgedeckt.


Da der Staat die Behandlungs- und Folgekosten übernimmt, ist die Haftpflicht hier völlig anders geregelt. Nicht der Unfallgegner oder Verursacher des Schadens kann haftbar gemacht werde, sondern Ansprüche können nur an ACC gerichtet werden.



(Wellington Botanic Garden)

Sofern ein Patient meint, ein Schaden sei durch eine medizinische Behandlung entstanden, kann er den Therapeuten zwar verklagen. Das Klageverfahren betrifft aber nicht die Haftpflicht (die ja durch ACC ausgeschlossen ist) sondern die Frage, ob eine Fahrlässigkeit des Behandlers vorliegt, d.h. seine Zulassung von Seiten des Medical Council wird überprüft.


Damit man sich vor ungerechtfertigten Anschuldigungen schützen kann, ist die Mitgliedschaft in der Medical Protection Society ratsam, einer Organisation, die Rechtsbeistand bietet und Verfahrenskosten übernimmt.

Ich hoffe doch, diese Hilfe nicht in Anspruch nehmen zu müssen...





Ein ausführliches Gespräch mit der Immigrationsberaterin hilft mir zu klären, wie und wo ich mein Arbeitsvisum beantragen kann. Die entsprechenden Formulare erhalte ich auch gleich. Na da freue ich mich doch riesig drüber :-)




In Windeseile ist der Tag vergangen. Mit einer Riesenmenge an Informationen und etlichen Formularen fahre ich zurück nach Levin. In den nächsten Tagen habe ich einige Anträge auszufüllen. Für das Arbeitsvisum muss ich noch einen Gesundheitscheck absolvieren. Ohne den geht hier gar nichts.


Ich bin ja von Deutschland her schon einiges an Bürokratie gewohnt, aber hier finde ich, übertreiben sie es wirklich ein bisschen. Da bin ich vor Ort aber auch nicht der Einzige, der so denkt.






15.06.10: Besuch in „meiner“ Praxis, Erörterung weiteres Procedere: Gesundheitsuntersuchung, Termin für Labor-Check und Röntgenuntersuchung


16.06.10: Anträge für Work-Visa und Health-Check


Für jeden Antrag muss ich ca. je 20 Seiten durcharbeiten und unendlich viele Fragen beantworten, wenigstens sind die Fragen verständlich formuliert...


Nachmittags gehe ich laufen am Strand, das macht den Kopf wieder frei von Papierkram.






17.06.10: Besuch in der Praxis, Kennenlernen der Abläufe, Begleitung der Kollegin in der laufenden Sprechstunde


18.06.10: Morgens Labor- und Röntgenuntersuchung im örtlichen Gesundheitszentrum, anschließend Fahrt nach Wellington


Da geht das Geld hin, denn alles muss man aus eigener Tasche bezahlen (Röntgen-Thorax 96,- NZ $, Labor 115,- NZ $). Die Gesundheitsuntersuchung selbst konnte ich zum Glück in meiner zukünftigen Praxis machen lassen, ohne dafür noch mal etwas bezahlen zu müssen.


Meine Bescheinigung, dass ich Englisch sprechen kann, hab ich ja nun seit dem 11.06. in der Tasche. Aber man soll nicht glauben, dass die Bürokraten sich damit zufrieden geben. Die finden immer noch das eine oder andere Dokument, das sie sehen wollen. Mein Abschlusszeugnis von der Uni von 1988 (!) muss ich noch übersetzen lassen, natürlich von einem zugelassenen Übersetzungsbüro, das dafür selbstredend die Hand aufhält (50,- NZ$).


Hoffentlich bekomme ich nächste Woche endlich grünes Licht für meine Registrierung beim Medical Council. Und vor allem wäre ich froh, wenn ich dann auch eine Anstellung habe und meine Reisekasse mal wieder auffüllen kann.





25.06.10: Fahrt nach Wellington, Besuch des Taputeranga Marine Reserve

Abends: Konzert des New Zealand Symphonic Orchestra


Leider ist heute richtiges „Schietwetter“, wie man in Hamburg sagen würde. Wellington zeigt sich von seiner windigen Seite mit vielen Regenschauern, also eigentlich einem Wetter, das man lieber von einem warmen Plätzchen durch die Fensterscheibe beobachten möchte. Dafür bin ich aber nicht hier. Also, warm anziehen, Regenschirm griffbereit halten und los.









Carol zeigt mir Ecken von Wellington, die ich alleine nie gefunden hätte, z.B. das „Taputeranga Marine Reserve“. Es ist ein Küstenabschnitt, der unter Naturschutz steht und landschaftlich einiges zu bieten hat, wie man hoffentlich auf den paar Bildern sehen kann, die ich unter diesen Bedingungen aufnehmen konnte.





Hier werde ich auf jeden Fall noch mal zurückkehren und bei schönerem Wetter eine ausgiebige Wanderung an der Küste entlang machen. Wandermöglichkeiten gibt’s hier reichlich.





Da es so überhaupt nicht aufhören will zu regnen, fahren wir durch einige Vororte Wellingtons und ich erfahre, wo man welche Naturreservate besichtigen kann. Erst jetzt sehe ich, über welch riesiges Gebiet sich Wellington erstreckt. Das Zentrum ist recht überschaubar, aber die Vororte reihen sich aneinander von einem Hügel zum nächsten. Überall stehen bezaubernde Häuschen herum.





Leider vergeht die Zeit mal wieder viel zu schnell und wir müssen uns auf den Weg zurück ins Zentrum machen, denn wir wollen vor dem Konzert heute Abend noch eine Kleinigkeit essen.

Und natürlich freue ich mich schon auf das Klavierkonzert mit dem New Zealand Symphonic Orchestra. Dass ich sooo häufig die Gelegenheit haben werde, ein Symphoniekonzert zu besuchen, hätte ich wirklich nicht erwartet.






26.06.10: Parliamentary Tours


Nach dem Konzert gestern Abend habe ich in Wellington im Hotel übernachtet damit ich heute noch ein bisschen die Stadt erkunden kann. Es ist einer dieser verregneten Tage, an denen man wirklich nicht draußen rumlaufen möchte. Also suche ich mir eine Besichtigungstour aus, die drinnen stattfindet.


Im „iSite“ (wie es hier heißt), dem Fremdenverkehrsbüro, hatte ich mir für jede Wettersituation eine passende Alternative rausgesucht. Es gibt wirklich sehr viele Besuchsangebote: z.B. das „Colonial Cottage Museum“ (das älteste original erhaltene Cottage/Wohnhaus Wellingtons, gebaut 1858, in dem man die Wohnung und den Garten einer Siedlerfamilie besichtigen kann) oder „Archives of New Zealand“ (das Nationalarchiv in dem u.a. die Treaty of Waitangi und viele andere historische Dokumente Neuseelands gelagert und ausgestellt werden) oder das „New Zealand Film Archive Mediaplex“ (eine riesige Filmbibliothek mit allem, was in Neuseeland an Filmmaterial erstellt wurde) ...


Es könnte, wenn es nach dem Besichtigungsangebot in Innenräumen ginge, auch noch die nächsten Wochen weiter regnen und es gäbe trotzdem noch interessante Dinge anzusehen.

Ich entschließe mich heute für die „Parliamentary Tours“. Bin mir nicht so ganz sicher, ob es mich nicht langweilen wird, denn es klingt ja eigentlich nicht so sehr prickelnd, aber ich denke, wenn ich schon mal hier bin und ein verregneter Tag mir die Gelegenheit bietet, in der Hauptstadt Neuseelands etwas über das politische Geschehen vor Ort zu erfahren, dann ergreife ich doch mal diese Chance.


Weit gefehlt! Eine toll organisierte Tour. So etwas habe ich nicht erwartet und ich kann jedem, der sich mal hierher verirrt nur empfehlen, sich das Parlamentsgebäude anzusehen.


Bevor die Tour losgeht bekommen wir im Foyer einen kurzen Film gezeigt, in dem der geschichtliche Hintergrund erläutert wird. Schöne alter Filmaufnahmen von der Queen sind auch dabei.


Eine freundliche Tourleiterin begrüßt uns und fragt, woher wir kommen. Von den 18 Teilnehmern kommen 12 aus Neuseeland, vier aus Südafrika, ein junger Mann kommt aus Japan. Ich bin der einzige Deutsche.


Die Tourleiterin erklärt den Ablauf der Besichtigung, weist darauf hin, dass wir viele Treffen steigen werden und fragt, ob alle sich dazu gesundheitlich in der Lage fühlen. Dann geht es auch schon los.


Ich habe das Gefühl, wir besichtigen wirklich jeden Winkel des Gebäudekomplexes. Wir steigen z.B. in den Kellerbereich, wo wir einen Kurzfilm über die Maßnahmen zur Erdbebensicherung des Gebäudes sehen.


Neuseeland liegt in einem Erdbebengefährdeten Gebiet (auf dem Grenzgebiet der Australischen- und Pazifischen Platte). Damit das Parlamentsgebäude nicht durch ein Erdbeben beschädigt wird hat man umfangreiche Baumaßnahmen unternommen:


Die Wände des Gebäudes wurden durch Zwischenwände verstärkt, der gesamte Untergrund durch ein Betonfundament stabilisiert. Dann wurden riesige Gummipuffer im Untergrund eingesetzt und das gesamte Fundament horizontal mit Spezialsägen durchtrennt, so dass der Gebäudeuntergrund nur noch auf den Gummipuffern ruht und vom Boden getrennt ist. Bei einem Erdbeben fangen die Gummipuffer die Stöße und Vertikalbewegungen ab, das Gebäude wird „in Schwebe“ gehalten und bekommt vom Erdbeben nichts ab.


Die anschließende Tour durch die weiteren Räume ist wie ein Ausflug in frühere Zeiten. Überall hängen Bilder von den bisherigen Premierministern, den Sprechern des Parlamentes und anderen besonders herausragenden Persönlichkeiten an den Wänden. Man kann sehr schön sehen, wie sich im Laufe der Zeit das Bild der Parlamentsarbeit geändert hat. Anfangs sind z.B. nur Männer zu sehen, Frauen tauchen erst in den letzten Jahren in führenden Positionen auf. Auch wurden früher noch Perücken (aus Pferdehaaren) getragen, das muss darunter ordentlich gejuckt haben :-)


Wir sehen die Bibliothek, Sitzungsräume, den Saal, in dem das Parlament tagt und vieles mehr. In einem der Sitzungsräume wird uns die Arbeit der Ausschüsse und des Parlaments erklärt. Die Räume sind u.a. mit schönen Maorischnitzereien verziert.


In den weitläufigen Fluren hängen ausgewählte Kunstgegenstände. Zu schade, dass man im gesamten Gebäude nicht fotografieren darf.


Die Führung ist sehr kurzweilig und leider auch schnell vorbei. In einer Stunde haben wir viel gesehen, vor allem den Einblick in die Historie des Parlaments fand ich besonders interessant.



(Levin)

28.06.10: Treffen mit der Apothekerin.


Wie so oft bisher werde ich auch hier, in der Apotheke direkt neben der Praxis in Levin, sehr freundlich empfangen. Die Apothekerin nimmt sich sehr viel Zeit, mir einiges über die Verordnungsbesonderheiten Neuseelands zu erläutern und ich erfahre viel über die Service-Leistungen, die den Kunden angeboten werden. Dazu gehört u.a. ein Interaktions-Check, wenn mehrere Medikamente gleichzeitig eingenommen werden. Tabletten werden hier auch einzeln oder in kleinen Mengen abgegeben. Auf Wunsch werden alle Medikamente nach einem persönlichen Medikamentenplan portionsweise verblistert.


Da auch hier die Medikamente häufig substituiert (gegen Wirkstoffgleiche ausgetauscht) werden, wird sehr darauf geachtet, dass die Patienten auf Namensänderungen hingewiesen werden, damit Verwechselungen möglichst ausgeschlossen sind.



(Levin)

Der große Vorteil für Apotheker, Ärzte und Patienten ist hier, dass es nicht diese erschlagende Menge an Medikamenten mit vielen „Metoo-Präparaten“ gibt, d.h. es gibt z.B. keine 23 Beta-Blocker sondern nur vier oder fünf, was völlig ausreichend ist. Eine staatliche Stelle (Pharmac) legt fest, welche Medikamente verordnet werden können. Das hat natürlich einige bürokratische Hürden zur Folge, wenn man ein ganz bestimmtes Medikament verordnen möchte. Es führt aber andererseits auch dazu, nur eine überschaubare Anzahl an Medikamenten kennen und bevorraten zu müssen.



(Levin)


(Levin)


30.06.10: Besuch bei Maggi und Jo Kieninger auf ihrer Blueberryfarm (www.blueberryart.co.nz)


Ich habe heute ein deutsches Paar in Levin besucht. Maggie hatte ich in der Praxis kennen gelernt, als ich meine Kollegin in der Sprechstunde begleitete. Sie sagte, ich könne gerne einfach mal vorbeischauen, wenn ich Lust hätte. Ich hab natürlich vorher angerufen und gefragt ob es passt und ob sie auch zuhause sind. Sei alles kein Problem und ich solle mich mal einfach auf den Weg machen.



(Umgebung von Levin)

Und genauso locker und nett bin ich auch aufgenommen worden. Sie haben sich einfach Zeit genommen und mir „ihr Reich“ gezeigt, ein 5 Hektar großes Stück Land mit Blaubeerbüschen, einer Weide mit Alpacas und Schafen (die Wolle verwendet sie für Filzarbeiten, die sie zu Hüten und wunderschönen Schals verarbeitet und verkauft).


Er hat in Deutschland als Grafiker gearbeitet und hat sich hier eine Druckereiwerkstatt eingerichtet, in der er tolle Kunstdrucke fertigt. Sie bieten Workshops an und leben von den Dingen, die sie herstellen und (vorwiegend in Wellington) verkaufen.



(Umgebung von Levin)


Für mich war es interessant, ihre Beweggründe zu hören, warum sie vor vier bzw. fünf Jahren hergekommen sind. Ich konnte es gut nachempfinden, was sie mir erzählten über hohe Leistungsanforderungen und Überlegungen wie „das kann doch nicht bis zur Rente so weitergehen“. Es gibt also noch mehr Leute, die so denken wie ich :-))



(Umgebung von Levin)


(Ist das klares Wasser?)


28.06. bis 01.07.10: Warten auf die Einladung zum Interview beim Medical Council


Jeden Tag rufe ich bei NZLocums an und frage, ob der Termin für mein Interview bestätigt wurde. Meine Unterlagen wurden bereits am 15.06. beim Medical Council eingereicht. Die „normale“ Bearbeitungsdauer würde 20 Tage betragen, sagte man mir. Aber man sei guter Dinge, dass es schneller gehen würde.


Mir sitzt die Zeit im Nacken, da mein Visum Mitte Juli abläuft. Mein Rückflug ist für den 11.07.10 gebucht, für den Fall, dass ich bis dahin kein Workvisa, also keine Arbeitsgenehmigung erhalten haben sollte. Jeden Tag höre ich „wir melden uns, sobald wir den Termin erfahren, das wird bestimmt heute, spätestens morgen sein...“


Nichts tut sich. Es ist zum Mäusemelken :-(



(warten)



02.07.10: Achterbahnfahrt der Gefühle


Heute ist es endlich so weit. Ich habe eine Einladung von Medical Council zum Interview erhalten. Das ist nun endlich der Termin, bei dem man persönlich erscheinen muss, damit ein Mitarbeiter des Medical Council überprüfen kann, ob man auch tatsächlich die Person ist, die man zu sein behauptet. Man muss also mit Reisepass und allen Originaldokumenten antreten.


Vorher wurde schon mehrmals überprüft, ob alle eingereichten Unterlagen vollständig sind. Andernfalls bekommt man gar keinen Vorstellungstermin.



(und warten)


Ich werde freundlicherweise von einer Mitarbeiterin der NZLocums begleitet, da es anschließend noch zum Immigrationsoffice weitergeht.


Die Dame vom Medical Council geht mit mir ihre Dokumentenliste durch und schaut sich alle Originale wie auch die Übersetzungen genau an, alles ist vollständig.


Nur ein Dokument sei „abgelaufen“. Es ist ein Stück Papier (quasi ein Leumundszeugnis), dass einem bescheinigt, man sei ein tadelloser Mensch gegen den kein Strafverfahren läuft, mit anderen Worten „man hat keinen Dreck am Stecken“. Es wird als Bescheinigung aber nur akzeptiert, wenn das Ausstellungsdatum nicht länger als drei Monate zurück liegt.

Danach ist man ein Nichts, eine persona non grata!


Meine Bescheinigung wurde am 17.03.10 ausgestellt, also kurz vor meiner Abreise. Damit ist es für die Neuseeländer am 17.06.10 „abgelaufen“. Heute haben sie es aber wirklich auf meine Nerven abgesehen.


Ich sehe alle Felle davonschwimmen, denn ich weis, wie langwierig es ist ein entsprechendes Dokument neu zu beantragen.



(und Geduld haben)


Von den NZLocums höre ich, es sei „alles kein Problem“, was aber nur große Fragezeichen in meinem Hirn produziert. Einer anderen deutschen Ärztin sei das Gleiche passiert und es sei ihr möglich gewesen, dieses Dokument innerhalb von 24 Stunden per E-mail neu ausstellen zu lassen.


Da kennen sie aber die deutschen Behörden nicht, denke ich. Viel Zeit darüber nachzudenken habe ich nicht, denn es geht gleich weiter zum Immigrationsoffice.


Dort angekommen lege ich der Dame auf der anderen Seite des Schreibtisches meine (wie ich meine) kompletten Unterlagen vor. Mit wichtigem Blick sieht sie alle Unterlagen durch und fragt mich, wo denn der Anstellungsvertrag sei. Das „Offer of Employment“ (Anstellungsangebot) sei nicht ausreichend.



(und noch länger warten)


Meine Beraterin von den NZLocums ist ratlos. Ein Arbeitsvertrag sei bisher noch nie gefordert worden. Es hilft nichts, also zurück zum Büro der NZLocums, den Vertrag ausdrucken und unterschreiben und noch mal zurück zum Immigrationsoffice.


Der mehrseitige Anstellungsvertrag der NZLocums stellt die Dame auf der anderen Seite des Schreibtisches jetzt soweit zufrieden, dass sie mir ein Arbeitsvisum für ein Jahr ausstellt. Na wenigstens hat das geklappt!!!


Ich bin jetzt im Besitz einer Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis für 12 Monate, kann aber noch nicht als Arzt arbeiten, da mir die Registrierung vom Medical Council fehlt. Die erhalte ich erst, wenn ich das aktualisierte „ Leumundszeugnis “ vorlege.


Die Bürokraten schaffen mich noch!



(meine Geduld ist langsam zu Ende)


Zwischendurch denke ich ernsthaft darüber nach, Neuseeland „Good by“ zu sagen und wieder nach Deutschland zurück zu fliegen.


Mir wird einerseits von vielen Leuten bestätigt, dass ein dringender Bedarf an Ärzten besteht. Wenn ich andererseits sehe, wie hoch die Anforderungen und bürokratischen Hürden sind, die an einen gestellt werden, habe ich nicht den Eindruck, dass ich von den Behörden wirklich willkommen geheißen werde.



(Blick auf Kapiti Island)


Auf meinem Weg nach Hause muss ich erst mal am Strand anhalten und einen längeren Spaziergang machen, bei dem ich mir wieder in Erinnerung rufe, warum ich eigentlich hergekommen bin. Doch nicht, um mich über Bürokraten zu ärgern, sondern um dieses schöne Land und die netten Leute kennen zu lernen!


Der sonnige Ausblick auf den Strand und die Küste entschädigt mich voll und ganz und bringt mich wieder auf andere Gedanken.



(Küste zwischen Wellington und Levin)










In Deutschland ist es noch mitten in der Nacht und ich erreiche erst am Abend die entsprechende Sachbearbeiterin, die für die Ausstellung des geforderten Dokumentes zuständig ist. Ihre Reaktion auf meine Bitte, mir in dieser besonderen Situation zu helfen, zeigt mir allerdings, dass Bürokraten auch in Deutschland unflexibel und regelbesessen sind.


Ich könne ein neues Dokument beantragen (Bearbeitungszeit mehrere Wochen, da vorher noch ein polizeiliches Führungszeugnis beantragt werden muss). Mein Einwand, ich hätte erfahren, es würde auch schnellere Bearbeitungswege geben, stößt bei ihr auf taube Ohren. Sie sei an ihre Vorschriften gebunden und könne mir nicht helfen.


Aus ihren Worten höre ich eine aktenverstaubte Gleichgültigkeit heraus, die leider mal wieder alle meine Vorurteile gegenüber Bürokraten bestätigt.



Ich lasse mir den Namen ihres Vorgesetzten geben, der mir hoffentlich weiterhelfen wird. Auch er sagt, dass er mir aufgrund des fehlenden Führungszeugnisses nicht so weiterhelfen kann, wie ich es mir vorstelle. Aber, er bietet mir an, ein Schreiben an das Medical Council zu formulieren und heute per Mail zu senden, welches bestätigt, dass nach seinem Kenntnisstand keine Veränderung gegenüber dem Dokument vom 17.03.10 eingetreten ist.


Na, das ist doch schon mal eine große Hilfe. Mir fällt ein Stein vom Herzen. Ohne dieses Schreiben hätte ich vier Wochen warten müssen, ohne arbeiten zu dürfen.


Meine Stimmung steigt wieder empor aus den Tiefen der Bürokratieniederungen.





Am kommenden Montag werde ich erfahren, ob sich das Medical Council mit dem gemailten Dokument zufrieden gibt oder ob ich tatsächlich ein neues Dokument beantragen muss.



(Levin)


So mache ich mich also auf den Weg nach Putaruru, einem kleinen Ort in die Nähe von Hamilton, zu einer Praxis, in der ich die nächsten 14 Tage arbeiten soll, ohne zu wissen, ob ich überhaupt meine Arbeit beginnen darf...


Irgendwie geht es immer einen Schritt weiter. Solange man nicht am Abgrund steht, kann einen das nur weiter bringen :-))





(Unterwegs nach Hamilton)