Dienstag, 18. Januar 2011

Therapeutisches Schafe gucken und andere Urlaubsaktivitäten

Diesmal geht es u.a. um:
Eine Zwischenbilanz
Traumhafte Arbeitsbedingungen
Urlaub machen und entspannen
Vögel auf Kapiti Island




Meine Tätigkeit als Hausarzt kann ich endlich wieder ohne Schwierigkeiten ausüben. Für mich ist, nach den unerfreulichen Anfangsmonaten, wieder Normalität im Arbeitsalltag eingetreten und ich kann mir gut vorstellen, eine längere Zeit in Neuseeland als Hausarzt zu arbeiten. Als ich im April 2010 angekommen war, hatte ich mir vorgenommen, mindestens für ein Jahr hier zu leben und das Land zu bereisen, was mir damals unendlich lang vorkam.

Jetzt, wo dieses Jahr fast zu drei Viertel vergangen ist, ändert sich meine Perspektive plötzlich und ich denke, wo ist nur die Zeit geblieben? Möchte ich demnächst schon nach Hause fliegen? Die Frage kann ich mit einem eindeutigen „jain“ beantworten („ja“, um endlich mal wieder in Hannover zu sein, und „nein“, denn es gefällt mir hier sehr gut und ich möchte noch mehr von Neuseeland erleben).

Mir ist aber auch klar geworden, dass meine Zeit in Neuseeland begrenzt ist. Auswandern war nie mein Ziel. Ich hatte mich aber auch nicht zeitlich festgelegt, ob mein Aufenthalt ein, zwei oder mehrere Jahre dauern wird.




Der Lebensstil hier bietet so viele angenehme Dinge, die ich wirklich zu schätzen gelernt habe:
Natur erleben (jeden Tag scheint die Sonne, der Strand ist nur 10 Minuten entfernt, die Berge sind in Sichtweite, nachts ist der Sternenhimmel so klar, dass die Milchstraße zum greifen nah erscheint ...), (Gast-)freundliche Menschen kennen lernen,
pünktlich Feierabend und ausreichend Zeit für alle möglichen Freizeit-Aktivitäten haben,
entspanntes Auto fahren (hier gibt es keine Raser, nur sehr selten Staus, der Liter Super kostet 1,97 NZ$ = 1,16 €),
alles läuft hier deutlich entspannter und langsamer ab (ohne es durch Zahlen belegen zu können habe ich den Eindruck, hier deutlich weniger Leute mit Bluthochdruck zu behandeln als in Deutschland).




Natürlich fehlen hier auch einige Dinge, die ich in Deutschland als etwas Selbstverständliches wahrgenommen habe, wie z.B.
Schwarzbrot und all die anderen leckeren Brotsorten (die es hier nicht gibt),
öffentlicher Nahverkehr oder schnelle Zugverbindungen wie ICE (hier benötigt man dafür ein Auto, mit dem man aber nicht schneller als 100 km/h fahren darf),
ein vielfältiges Kulturangebot (gibt’s wenn überhaupt nur in Wellington),
gute Tages- oder Wochenzeitungen (zum Glück habe ich ein „Zeit-Abo“ geschenkt bekommen).

In der Summe überwiegen meine positiven Eindrücke, insbesondere was meine berufliche Situation betrifft. Ich trage hier eine genau so große Verantwortung als Hausarzt wie in Deutschland, werde aber für meine Arbeit viel stärker Wert geschätzt und nicht durch Regressandrohungen und ständig wechselnde KV Bestimmungen in meinem Praxisalltag frustriert.




Ich verschwende z.B. nicht einen Gedanken am Tag für irgend welche Abrechnungsziffern (so etwas wie Punkte und floatender Punktwert für erbrachte Leistungen gibt es hier nicht, die Patienten bezahlen ihren Kostenanteil mit richtigem Geld und die Praxis erhält für jede Behandlung am Ende des Monats bzw. zeitnah vom Kostenträger echte New Zealand Dollar überwiesen),
Worte wie Quartalsabrechnung, Krankenkassen, Budget oder Praxisgebühr habe ich schon fast vergessen (das alles gibt es hier nicht).

Meine Hauptbeschäftigung dreht sich wirklich um die medizinische Behandlung von Patienten. Das funktioniert natürlich nur, weil das Praxisteam sehr gut eingespielt ist und beispielsweise die gesamte Abrechnung von der Praxismanagerin und den administrativen Mitarbeitern übernommen wird.

Aber bevor ich zu sehr ins Schwärmen komme und womöglich alle meine Fachkollegen ihre Praxis schließen und nach Neuseeland gehen, beende ich an dieser Stelle lieber meine Ausführungen über die Praxiserfahrungen und berichte lieber über meinen Urlaub, den ich vor kurzem, zusammen mit meiner Freundin, genießen konnte. Auch wenn die Arbeitsbedingungen m. E. optimal sind, braucht man auch in Neuseeland nach einiger Zeit mal Urlaub...

Nach mehr als sechs Monaten, in denen wir uns nur per Skype gesehen haben, besucht mich Ende Oktober endlich meine Partnerin und wir verbringen hier gemeinsam unseren Urlaub in den nächsten drei Wochen. Eigentlich hatten wir geplant, zusammen nach Neuseeland zu gehen und ein Jahr hier zu leben und zu arbeiten. Aber manche Dinge entwickeln sich anders, als geplant. Wir versuchen das Beste daraus zu machen und versuchen den Spagat zwischen „möglichst viel sehen und erleben“ und „einen erholsamen Urlaub gemeinsam verbringen“ in dem wir unsere Batterien wieder auftanken können.

Die ersten Tage bleiben wir in Levin und Umgebung und ich kann meiner Freundin zeigen, wie schön es sich hier leben lässt. Die Eindrücke mit allen Sinnen selber aufzunehmen ist eben doch viel schöner, als „nur“ per Mail oder Skype davon zu hören. Besonders angetan ist sie von dem Ausblick aus meinem Cottage auf die Wiesen mit den Kühen, Schafen und der Tararua Range am Horizont. „Therapeutisches Schafgucken“ nennen wir es, da man beim Anblick der weidenden Schafe unweigerlich in den „Entspannungmodus“ umschaltet.


Am nächsten Wochenende (31.10.10) sind wir von meiner Praxismanagerin in ihr Haus in Waitarere Beach zum Barbecue eingeladen. Es ist eine Willkommensparty für meinen kanadischen Kollegen und mich, sowie eine Verabschiedungsparty für eine amerikanische Kollegin, die in den nächsten Tagen ihre Arbeit hier beendet. Da gibt es alle möglichen Leute, die ich meiner Freundin vorstellen möchte, so hat sie eine Vorstellung, wie sich das Praxisteam in meiner neuen Praxis zusammensetzt. Auch für mich ist es eine gute Gelegenheit, die Kollegen und Mitarbeiter näher kennen zu lernen.

Wir sitzen den ganzen Tag draußen und werden mit vielen Leckereien verwöhnt. Obwohl der Wind noch etwas kühl ist, scheint die Sonne den ganzen Tag. Erst am Nachmittag merke ich, dass man sich hier ohne Sonnenschutz ganz schnell einen Sonnenbrand holen kann, auch wenn man im Schatten sitzt. Da werde ich nächster Zeit gehörig aufpassen müssen, denn der richtige Sommer kommt erst noch...


Kapiti Island 02.11.10

Eine besondere Attraktion haben wir uns für heute vorgenommen. Den Besuch von Kapiti Island muss man ein paar Tage (während der Hochsaison sogar ein paar Wochen) im Voraus planen. Es dürfen pro Tag nur maximal 70 Besucher auf die Insel, um Schäden durch einen zu großen Besucherandrang zu vermeiden. Man benötigt daher eine besondere Genehmigung, die Insel betreten zu dürfen. Die Mitarbeiterinnen im iSite Büro (Fremdenverkehrsbüro) sind dabei behilflich und organisieren alles für uns. Den Antrag beim DOC (Department of Conservation) füllen sie online aus und die Karten für die Überfahrt buchen sie auch für uns.




Kapiti Island ist insofern eine Besonderheit, als dass die Insel frei ist von allen Tieren, die den einheimischen Vögel gefährlich werden könnten (Hunden, Katzen, Ratten, Possum etc.). Bevor man das Boot besteigen kann, welches einen auf die Insel übersetzt, werden alle Taschen gründlich kontrolliert, damit der Vogelschutz dauerhaft gewährleistet ist und nicht versehentlich jemand seine Hauskatze oder Ratte mitnimmt.

Durch gezielten Vogelschutz, Zuchtprogramme und Schädlingsüberwachung konnte erreicht werden, dass die Zahl der einheimischen Vögel wie z.B. Kiwi, Kaka, Tui, Weka und Takahe enorm angestiegen ist. Jeder Ornithologe, aber auch jeder Andere der gerne Vögel beobachtet, hat hier die einmalige Gelegenheit, so viele Vögel in freier Natur aus nächster Nähe zu sehen, wie sonst kaum anderswo in Neuseeland.

Kurz nach 9.00 Uhr morgens werden wir von dem kleinen Motorboot zur Insel gefahren. Es herrscht zum Glück kaum Seegang, also gibt es keinen Grund Seekrank zu werden. Nach ca. 20 Minuten Überfahrt setzt uns der Kapitän auf der Insel ab, und verspricht uns, er würde uns gegen 15.00 Uhr wieder abholen.
 
Am Informationszentrum in der Nähe der Rangerstation erzählt uns ein Tour-Guide etwa eine dreiviertel Stunde etwas über die Geschichte der Insel und die Aktivitäten, die unternommen wurden, um aus Kapiti Island eine Vogelschutzinsel zu machen. Wir erfahren, welche Vögel wir mit etwas Glück sehen können und worauf wir achten sollen, damit die Vögel möglichst ungestört bleiben.







Besonders werden wir davor gewarnt, unsere Lunch-Pakete unbeaufsichtigt zu lassen. Einige Vögel warten nur darauf, sich eine leckere Mahlzeit zu stibitzen und schon kommen auch die ersten Kakas angeflogen um zu gucken, was diese Besuchergruppe wieder leckeres mitgebracht hat. Wenn man Pech hat und nicht aufpasst, kann es einem passieren, das der ganze Rucksack gegriffen und auf nimmer Wiedersehen in das nächstgelegene Versteck abtransportiert wird.




Die Vögel sind jedenfalls überhaupt nicht scheu und setzen sich bei den Besuchern auf den Kopf oder auf die Schultern, um möglichst dicht bei den Leckerbissen zu sein. Natürlich soll man sie auf keinen Fall füttern, denn zu fressen gibt es auf der Insel genug, nur vielleicht nicht so leckere Dinge wie die Besuchergruppen mitbringen.






Nach dem informativen Vortrag machen wir uns auf den Weg, den Gipfel der Insel zu erklimmen. Es gibt zwei Wege: Einen gut befestigten, moderat ansteigenden und einen etwas steileren Weg, der mitten durch den Wald führt und recht anstrengend sein soll.


 


Wir nehme die Herausforderung an und entscheiden uns für die zweite Variante. Wie sich herausstellt, haben wir die richtige Entscheidung getroffen, weil fast alle Anderen, insbesondere die Familien mit (laut krakeelenden) Kindern den leichteren Weg wählen. So können wir ungestört die Vögel beobachten und haben bei dem zweistündigen Aufstieg das Gefühl, die ganze Insel für uns alleine zu haben. 

Das Konzert an Vogelstimmen um uns herum ist einfach unglaublich. Da die Insel sehr dicht bewaldet ist hört man von den Vögeln mehr, als dass man sie sieht. Man muss schon sehr genau hinsehen und etwas Glück (und Geduld) haben, um die vielen unterschiedlichen Vögel zu sehen. 




Der Weg ist zwar ganz schön steil und wir kommen ziemlich ins Schwitzen, aber mit ein paar Pausen zwischendurch ist der Aufstieg gut zu schaffen. Oben angekommen werden wir mit einem fantastischen Ausblick belohnt. Am Aussichtpunkt warten auch schon ein paar Weka auf uns. Da muss doch etwas in den vielen Rücksäcken sein, warum sonst bringen die Leute diese wohl hier her?


 (Blick Richtung Südinsel)


 (Blick Richtung Paekakariki)


 (Blick Richtung Paraparaumu) 


 (Weka) 



Viel Zeit zum Ausruhen haben wir leider nicht, da wir noch mal zwei Stunden für den Abstieg einplanen müssen. Nach einer kurzen Verschnaufpause gehen wir auf dem seichteren Weg zum Ausgangspunkt zurück. Der Abstieg ist natürlich viel entspannter. Beim bergab gehen, brauchen wir auch keine langen Pausen einzulegen, nur die Knie merken wir und einige Muskeln, die uns bestimmt morgen noch weh tun werden...


 (Kereru) 


Nachdem wir an der Basisstation angekommen sind, haben wir noch etwas Zeit und machen es uns am Strand gemütlich, bis das Boot kommt, das uns wieder ans andere Ufer bringt. Der Tag ist mal wieder viel zu schnell vergangen. Der Besuch von Kapiti Island ist ein echtes Highlight. Wer die Chance hat, diese Insel zu besuchen, sollte sie auf jeden Fall wahrnehmen.



  
(Blick Richtung Kapiti Island)
 
Die nächsten Wochen werden wir viel unternehmen, Wellington und die nähere Umgebung kennen lernen ...

... wir erleben hautnah wie der Handel auf einem Viehmarkt abläuft ...

... und natürlich auch, wie Schafe geschoren werden.


Wir besuchen u.a. auch die „Art Deco Perle“ Napier, die geothermalen Sehenswürdigkeiten von Rotorua und genießen die Annehmlichkeiten von Auckland.

Ich werde berichten...