Sonntag, 25. September 2011

Milford Track – Dritter Tag



Diesmal geht es u.a. um:
Rugby
Entwicklung neuer Versorgungsstrukturen
Internationales Team
Wanderung auf dem Milford Track - Fortsetzung



(Milford Track, Aufstieg zum Mackinnon Pass)


Neuseeland wird derzeit vom Rugby Fieber gepackt. Die Rugby Weltmeisterschaft 2011 hat das Land fest im Griff. Überall in Vorgärten, an Autos, in Geschäften, natürlich auch in unserer Praxis, sieht man Fahnen der „All Blacks“, der neuseeländischen Nationalmannschaft.

In Wellington haben die Sportgeschäfte aufgerüstet. Alles was die Sportler- und Fanherzen höher schlagen lässt, wird in den Geschäften angeboten. Dabei sind einige Artikel schon lang ausverkauft. Wer jetzt noch versucht eine große Fahne zu ergattern, muss leider feststellen, dass er zu spät kommt.





 
Auch bei der Werbung ist Rugby ein großes Thema. Das Plakat an einer der Häuserwände ist nur ein Beispiel von vielen, das zeigt, worum sich hier alles dreht.



  
Die Straßen sind überall mit Flaggen und Wimpeln geschmückt. Wellington ist daher momentan noch etwas bunter, als es sonst schon ist.





Wie rugbybegeistert die Neuseeländer sind, kann man auch daran sehen, dass sie in Wellington ein Rugby Denkmal errichtet haben. Es steht in der nähe vom Te Papa Museum und ist momentan ein besonders beliebtes Fotomotiv bei den vielen ausländischen Touristen, die angereist sind, um eines oder mehrere Spiele life zu sehen.










Im August war ich für einige Wochen mal wieder „zum Urlaub“ nach Deutschland gereist. Während dieser Zeit hatte ich leider kaum Zeit, an meinem Blog zu arbeiten. Nun bin ich aber wieder zurück in meinem Alltag, habe den Jetlag gut überstanden und finde genug Zeit, über meine Erlebnisse zu schreiben.

In Levin ist der Frühling eingetroffen, auf den Tararua Ranges liegt aber immer noch Schnee und nachts wird es manchmal ziemlich kalt, teilweise bis 2 Grad, brrrrr.

Auf der Farm sind zwischenzeitlich noch ein paar Lämmer dazugekommen, die innerhalb weniger Wochen ordentlich gewachsen sind und sich jetzt gegenseitig über die Wiesen jagen.










 
Meine Erfahrungen, welche ich hier als Hausarzt machen darf, bleiben weiterhin spannend. Die Praxis, in der ich arbeite, wird in den nächsten Jahren zu einem „Integrativen Familien-Gesundheits-Zentrum“ umgestaltet.

Hintergrund der Umstrukturierung ist der (auch in Neuseeland) unvermeidliche Strukturwandel (demographische Entwicklung, Hausärztemangel bei steigendem Durchschnittsalter der Ärzte, steigender Versorgungsbedarf älterer, multimorbider und chronisch kranker Patienten, zunehmende Arbeitsbelastung der verbleibenden Praxen/Versorgungsstrukturen). 

Eine Arbeitsgruppe hat bereits über einen längeren Zeitraum alle wesentlichen Informationen über die aktuellen Versorgungs-strukturen (ambulant und stationär) zusammengetragen. In einem für alle Beteiligten transparenten und auf gemeinsame Diskussion und Entwicklung angelegten, mehrstufigen Verfahren sollen die Rahmenbedingungen des „Integrativen Familien-Gesundheits-Zentrum“ entwickelt werden. 

Ziele dieses Prozesses sind eine Verbesserung von Qualität, Sicherheit und Sachkenntnis in der Versorgung, Verbesserung der Gesundheit und einen gerechten Zugang zur Versorgung für die gesamte Bevölkerung sowie das Erzielen des bestmöglichen Gewinns aus den für das öffentliche Gesundheitswesen eingesetzten Ressourcen.




Ungeachtet der Tatsache, dass dieser Prozess, ein so anspruchs-volles Projekt umzusetzen, einige Jahre dauern wird, ist es erstaunlich, mit welcher Zielstrebigkeit die Strukturveränderungen hier angegangen werden. Von Vorteil ist sicherlich das relativ gut überschaubare Gesundheitssystem.

Die wichtigsten Versorgungseinrichtungen sind Teil des staatlichen Gesundheitssystems. Mehr und mehr Arztpraxen werden von den (staatlichen) District Health Boards (DHB) aufgekauft, um die Versorgung der Bevölkerung sicher zu stellen.

Da liegt es nahe, die Struktur und Organisation der einzelnen Versorgungssegmente so miteinander zu verzahnen und in den Umstrukturierungsprozess einzubinden, dass der größtmögliche „Benefit“ eintritt und dennoch mit den vorhandenen Ressourcen möglichst schonend umgegangen wird.




Interessant ist für mich insbesondere die Atmosphäre, die ich bei den Gesprächen über anstehende Veränderungen wahrnehme. Es geht immer wieder darum, Wege zu einer konstruktiven Veränderung zu finden z.B. durch die Erörterung von Fragen, wie der Grad der Professionalisierung der Mitarbeiter verbessert werden kann, wie die Arbeitsbelastung auf einem akzeptablen Niveau gehalten oder wie die einzelnen Versorgungsbereiche besser miteinander verzahnt bzw. aufeinander abgestimmt werden können.

Das steuerfinanzierte Gesundheitssystem bietet allerdings nicht nur Vorteile (kostengünstige Grundversorgung), sondern hat auch ganz klare Einschränkungen in der Versorgung. Für mich als Arzt ist es z.B. schwer, das Wartelistensystem hinzunehmen. Die Patienten akzeptieren es in erstaunlich geduldsamer Weise, und vertrauen darauf, dass eine gerechte Verteilung je nach medizinisch begründeter Priorität stattfinden wird. Wer die Wartelisten umgehen will (und es sich leisten kann) hat immer noch die Option einer Privatbehandlung. 




Eine sehr bereichernde Erfahrung ist die Zusammenarbeit mit Kollegen aus aller Welt. Kürzlich hatten wir mal wieder eine unserer Teambesprechungen. Wir unterhielten uns über die Behandlung von Asthma. Jeder Arzt berichtete, wie in seinem jeweiligen Herkunftsland welche Behandlungsstrategien verfolgt werden. 

Es waren Kollegen aus Kanada, den USA, England, Südafrika, Neuseeland und Deutschland da, die alle schon einige Jahre Erfahrung gesammelt hatten und auch über die in den letzten Jahren eingetretenen Veränderungen berichten konnten.

Erstaunlicherweise wird ein und dieselbe Erkrankung in den jeweiligen Ländern ganz unterschiedlich behandelt. Ein Erfahrungsaustausch darüber bringt einen natürlich auch dazu, die eigenen Vorstellungen über die Behandlungsziele zu überdenken.

Ich kann mir vorstellen, dass in das Gesundheitswesen von Neuseeland durch die vielen sog. „Overseas Doctors“ auch sehr viele gedankliche Anregungen einfließen und der Austausch von Ideen dazu führt, dass neue Modelle der Versorgung, wie beispielsweise das „Integrative Familien-Gesundheits-Zentrum“, gerade hier entstehen und weiterentwickelt werden. 




Die tägliche Arbeit als Hausarzt, „an vorderster Front“ der Gesundheitsversorgung, bringt einem natürlich auch Einblick in Lebensbereiche, die man sonst in dieser Vielfalt und aus so persönlicher Perspektive nicht bekommen würde.

Da kommt ein Patient beispielsweise zu einer Flugtauglichkeits-untersuchung und erzählt einem so nebenbei, welche ausgezeichneten Bedingungen in Neuseeland für Privatflieger bestehen. Er sagt, es ist wie Autofahren, nur etwas höher. Aber die Aussicht sei fantastisch. Mal eben von Palmerston North nach Napier oder auf die Südinsel, alles kein Problem, wenn das Wetter mitspielt. Und die Kosten würden sich auch in Grenzen halten.




Oder es kommt ein anderer Patient zu einer Tauglichkeits-untersuchung für einen Marathonlauf auf dem Mount Everest (etwas verrückt sind sie hier schon), ein anderer Patient braucht einen Check up für seinen Auslandseinsatz in Russland, wieder ein Anderer braucht das Gleiche für einen Job in Kanada (das Ausland lockt auch hier). 




Man könnte meinen, den Leuten würde es hier insgesamt deutlich besser gehen und as gäbe keine Sorgen oder Nöte. Leider ist dem nicht so. Einige Einblicke zeigen einem sehr wohl auch die sozialen Problembereiche, die es hier (wie wahrscheinlich in jedem Land) ebenfalls gibt. 


  

Ich werde z.B. immer wieder mit verschiedene Formen von Abhängigkeiten (Alkohol, Medikamente, Drogen, insbesondere häufig Cannabis) und ihre sozialen Begleiterscheinungen konfrontiert. Auch das Spektrum von psychischen Störungen ist hier genauso weit gefächert wie ich es in Deutschland kennen gelernt habe. Es reicht von Depression über Angststörung, ADHS bei Kindern (und Erwachsenen), Psychosen, Posttraumatischen Belastungsstörungen bis zu Psychosomatischen Erkrankungen . . .

Nur mit der Behandlung stehe ich häufig „allein auf weiter Flur“, da es viel zu wenig Psychiater gibt. Ich kann zwar immer telefonisch Rat bei der sog. „Mental Health Line“ bekommen, die fortlaufende Behandlung des Patienten bleibt aber meistens in meinem Verantwortungsbereich, da eine Überweisung ziemlich wenig Aussicht auf Erfolg hat.

Natürlich lerne ich dadurch enorm viel dazu, da ich mich in Bereichen weiterbilden muss, wo ich in Deutschland häufig eine Überweisung zum Fachkollegen ausgestellt hätte. Wenn ich es unter dem Weiterbildungsgedanken betracht, ist es eine echte Herausforderung hier zu arbeiten.




Nun zur Fortsetzung meiner Reise auf die Südinsel, die ich im April d. J. gemacht hatte. 

Von Queenstown war ich mit einer Gruppe von 50 Teilnehmern mit einem Bus ca. 170 km nach Te Anau gefahren, von dort ging es noch mal etwa eine Stunde mit einer Fähre auf die andere Seite des Lake Te Anau, und nach einer kurzen Wanderung gelangten wir endlich zum „Glade House“, unserem Ausgangspunkt für die fünftägige Wanderung auf dem Milford Track.

Dritter Tag auf dem Milford Track 20.4.11

Heute haben wir uns den Aufstieg zum Mackinnon Pass vorgenommen. Von der „Pompolona Lodge“ aus geht es morgens erst einmal eine ganze Weile auf einem bequemen Wanderweg auf ebener Strecke durch ein Tal. Links und rechts von uns ragen die Berge so steil empor, dass das Sonnenlicht nicht ins Tal gelangt. Das hat zur Folge, dass die Temperaturen morgens noch etwas kühl sind. Vom Wandern wird man allerdings schnell warm.







  

Nach ein paar Kilometern beginnt dann der Aufstieg. Über einen „Zickzackweg“ steigen wir immer höher, bis wir oben am Mackinnon Pass ankommen, wo wir von den Tour Guides mit einem Erfrischungsgetränk überrascht werden. Die Pause kommt uns sehr gelegen, da Alle von dem steilen Weg bergauf ganz schön geschafft sind. Für die Mühen des Aufstiegs werden wir mit einem fantastischen Ausblick belohnt.






Gerade noch rechtzeitig, bevor man ca. 200 Meter in den Abgrund stürzt, wird man gewarnt, nicht weiter zu gehen. Erst wenn man vorsichtig an den Rand des Plateaus herantritt, sieht man, wie tief es hinunter geht. Da möchte niemand sagen: „Gestern standen wir noch am Abgrund, heute sind wir einen Schritt weiter...“ Hier hat ein Schritt in die falsche Richtung sehr unerfreuliche Konsequenzen.










Mit dem Wetter haben wir heute mal wieder außerordentliches Glück. Für den Fall, dass man bei schlechtem Wetter hier oben ankommt, gibt es eine Schutzhütte, in der man auch zur Not übernachten könnte. Wir nutzen die Hütte für unsere Lunchpause.





Nachdem wir uns gestärkt und erholt haben, machen wir uns langsam auf den Abstieg auf der anderen Seite des Mackinnon Pass. Es ist ein langer Weg bis zur nächsten Unterkunft. Und leider müssen wir erfahren, dass der Abstieg nicht ganz ungefährlich ist.





Eine der Teilnehmerinnen ist beim Abstieg gestürzt und hat sich bei dem Sturz den Knöchel gebrochen. Zum Glück ist sofort einer der Tour Guides bei ihr und ruft umgehend Hilfe über sein Funkgerät. Per Hubschrauber wird sie in das nächste Krankenhaus geflogen. 





Wie wir später erfahren hat der Transport reibungslos geklappt und der verunglückten Teilnehmerin geht es den Umständen entsprechend gut. In dieser abgelegenen Gegend ist man auf solche Notfälle gut vorbereitet und die Hubschrauberbesatzung ist in der Lage, auch in weit abgelegenen Gegenden in Not geratenen Leuten zur Hilfe zu kommen.






Nach einem unendlich lang erscheinenden Abstieg kommen wir am späten Nachmittag bei der „Quintin Lodge“ an.




Für diejenigen, die an diesem Tag noch nicht genug gelaufen sind, gibt es heute noch ein weiteres Highlight zu besichtigen:
Die „Sutherland Falls“, die mit einer Höhe von 580 Metern zu den höchsten Wasserfällen Neuseelands gehören.
 
Obwohl ich ziemlich fertig bin, mache ich mich, zusammen mit ein paar Anderen, auf den Weg zu den „Sutherland Falls“. Nach ca. 45 Minuten kommen wir endlich bei den Wasserfällen an. Es ist beeindruckend, welche Wassermassen da runter kommen.








Als wir  wieder bei der „Quintin Lodge“ eintreffen, sind wir froh, endlich unsere Wanderschuhe auszuziehen und den Tag gemütlich ausklingen zu lassen.
Morgen geht es weiter zum „Sandfly Point“ und zum Milford Sound.
Darüber werde ich das nächste Mal berichten ...