Diesmal geht es u.a. um:
Allein unterwegs in „Palmy“; Viele Überraschungen in Levin; Rugby begeisterte Neuseeländer
In den ersten Tagen in Palmerston North befinde ich mich wie in einem Schwebezustand:
Fast schon am Ort meiner Wünsche angekommen ohne genau zu wissen, wie es weitergeht, aber doch noch nicht ganz da. Im Kopf habe ich einen Entwurf, welche Schritte ich als Nächstes unternehme, aber es ist völlig offen, ob sich die Dinge auch so entwickeln, wie ich es mir vorstelle und wünsche.
„Palmy“, wie es auch genannt wird, ist für mich nur eine Zwischenstation. Der Ort, in dem ich längere Zeit leben und arbeiten möchte, heißt Levin und liegt 50 km weiter südlich in Richtung Wellington.
Palmerston North ist für mich als Anlaufstelle insofern wichtig, da hier an der Massey Universität Vorbereitungskurse für die Englischprüfung (IELTS) angeboten werden, welche ich bestehen muss, um ein Arbeitsvisum zu erhalten.
Es gibt daher einiges zu organisieren:
Vorbereitungskurs für IELTS buchen,
Erkundigen wo ich mich für die Englischprüfung anmelden kann,
Maklertermine in Levin vereinbaren bzw. nach einer Wohnung oder Unterkunft Ausschau halten,
Kontakt mir der Praxis aufnehmen, wo ich später arbeiten werde,
Bankkonto eröffnen, denn ohne Konto kann man keine Wohnung mieten,
Umgebung erkunden, denn davon gibt es reichlich...
Allein unterwegs in „Palmy“
Seit etwa 14 Tagen bin ich jetzt unterwegs und habe in der Zwischenzeit so viel Neues erlebt, dass kaum Zeit war, über das Alleinsein nachzudenken. Jetzt spüre ich auf einmal das Gefühl, sehr weit weg von Familie, Freunden und Bekannten zu sein.
Wie müssen sich wohl früher die Menschen gefühlt haben, die sich auf den Weg nach Neuseeland gemacht haben, als das Land noch unerschlossen war. Die waren sicher längere Zeit unterwegs, als ich es mir vorgenommen habe.
Ich finde es schon bemerkenswert, wie sich die eigene Wahrnehmung durch die täglichen Erfahrungen verändert. Heute gibt es Internet und Skype, was mir hilft „auf dem Laufenden“ zu bleiben. Aber die Qualität dieser Kommunikationsmöglichkeit ist doch sehr eingeschränkt und kann den persönlichen Kontakt nicht ersetzen. Wenn ich per Skype mit jemandem spreche, ist es ein zweidimensionales Bild, in digitalisierter Form, das übertragen wird. Aber, man kann z.B. über Skype leider niemanden in den Arm nehmen. Da gibt es noch „Verbeserungsbedarf“.
Oder ist es vielleicht gerade die Online-Verfügbarkeit von Schrift und Bild, die es mir bewusst macht, wie weit weg ich von meinen Freunden und Bekannten bin?
Ich kann jetzt nachvollziehen, warum in einigen Kulturen die Gastfreundschaft so wertgeschätzt wird. Wie wichtig es für das eigene Wohlbefinden ist, freundlich aufgenommen und in eine Gemeinschaft eingebunden zu werden, kann ich in den nächsten Tagen zu Glück mehr als reichlich erleben...
Erster Eindruck von Levin 20.04.10
Auf meiner Fahrt nach Levin muss wieder mal ich aufpassen, auf die Straße zu gucken und nicht von der herrlichen Aussicht auf die Tararua Range abgelenkt zu werden. Die Tararua Range ist ein Gebirgszug, der sich über eine Strecke von ca. 110 km zwischen Palmerston North und Wellington erstreckt (http://de.wikipedia.org/wiki/Tararua_Range). Die Gegend ist sehr hügelig, überall Weiden Kühe oder Schafe auf den weitläufigen Feldern. Gelegentlich kommt man durch kleine Orte, die recht verschlafen wirken.
Nach einer dreiviertel Stunde erreiche ich Levin, ein Städtchen, dass ich auf den ersten Blick als „übersichtlich“ bezeichnen würde. Es gibt eine Hauptstraße, wo sich auf einer Strecke von ca. 500 Metern alle wichtigen Geschäfte und Banken, sowie einige Makler angesiedelt haben.
Nach einem kleinen Rundgang durch das Stadtzentrum, bei dem ich mit drei Maklern gesprochen und für den nächsten Tag zwei Besichtigungstermine vereinbart habe, gehe ich zur ersten Bank am Ort um mich über die Möglichkeit einer Kontoeröffnung zu erkundigen.
„Alles kein Problem“ sagt mir die freundliche Kundenberaterin, die sich gleich Zeit nimmt, mit mir zusammen die nötigen Formulare auszufüllen. In einer viertel Stunde ist alles erledigt. Ich habe ein neues Konto und bin stolzer Besitzer einer dieser Plastikkarten, mit denen hier fast alles bezahlt wird. Bargeld wird kaum noch zum Einkaufen verwendet. Auch Kleinstbeträge werden mit Karte + PIN-Code beglichen.
Ich kann es kaum glauben, wie freundlich ich hier empfangen werde und wie hilfsbereit die Leute sind. Es ist keine aufgesetzte Freundlichkeit sondern eine ganz andere Art von Offenheit, das ich als „the Kiwi way of politeness“ bezeichnen würde.
Zweiter Eindruck von Levin 21.04.2010
Nachdem ich gestern so freundlich in Levin aufgenommen wurde, bin ich natürlich gespannt, wie es mit meiner Wohnungssuche weitergeht. Für heute früh habe ich zwei Termine zur Wohnungsbesichtigung vereinbart, d.h. früh aufstehen und wieder von „Palmy“ nach Levin fahren, denn ich wohne ja wohlgemerkt dort immer noch im Hotel.
Meine ursprüngliche Planung sah vor, während der Vorbereitungszeit für die Englischprüfung in Palmerston North zu bleiben, da hier die Kurse an der Uni stattfinden sollten. Leider musste ich zwischenzeitlich feststellen, dass z. Zt. Überhaupt keine Vorbereitungskurse angeboten werden, angeblich mangels Interessenten.
Also verwerfe ich diesen Plan und werde sehen, was sich in Levin organisieren lässt. Ich möchte so bald wie möglich meine eigene Wohnung beziehen, da für mich das Leben im Hotel keine Dauerlösung ist.
Beim Maklertermin wird mir eine Wohnung angeboten, die mir so gut gefällt, dass ich sie am liebsten gleich mieten würde. Sie ist leider unmöbliert (möblierte Wohnungen würde es hier so gut wie gar nicht geben, erzählte mir die Maklerin), dafür aber nur ca. 10 Minuten Fußweg vom Stadtzentrum und der Praxis entfernt. Auch die Miete von 200 NZ $ pro Woche ist tragbar, wie ich finde. Morgen könnte ich die Schlüssel abholen und einziehen.
Dass ich so schnell zu einer Wohnung kommen würde, damit habe ich überhaupt nicht gerechnet. Am nächsten Tag erfahre bei einem Treffen mit meiner zukünftigen Kollegin von einem noch besseren Angebot, so dass ich die unmöblierte Wohnung dann doch nicht nehme.
Kennenlernen der neuen Praxis 22.04.10
Für den nächsten Tag habe ich mich mit meiner neuen Kollegin und ihrem Mann in ihrer Praxis verabredet. Wir hatten bisher nur telefonischen Kontakt und ich bin natürlich gespannt, was mich dort erwartet.
Ich habe neben, meiner eigenen Praxis, schon viele anderen Arztpraxen gesehen. Meistens herrschte in den Praxen, die ich bisher kennen gelernt habe, ein gewisses Maß an Chaos oder Hektik, da es immer viel zu erledigen gibt und der Ansturm der Patienten häufig sehr groß ist.
Mein Eindruck von dieser Praxis ist ein völlig Anderer. Die Atmosphäre ist ruhig und entspannt. Ich habe (auch in der darauf folgenden Zeit bis heute) keine Patientenschlangen, kein volles Wartezimmer oder hektisches Agieren gesehen. Alle arbeiten ruhig und konzentriert. Der Umgang ist sehr persönlich und freundlich zugewandt.
Es wird mir sehr schnell deutlich, dass die Struktur des Gesundheitssystems erheblichen Einfluss auf die Versorgungsrealität hat. Darüber werde ich zu einem späteren Zeitpunkt mehr berichten, denn ich beginne ja erst einmal, mir einen Eindruck von dem für mich noch völlig neuen System zu machen.
Auch die weiteren Gespräche mit meiner zukünftigen Kollegin haben mich darin bestätigt, dass ich eine gute Wahl getroffen habe.
Sie und ihr Mann hatten sich schon mal nach einem möblierten Haus umgesehen, da sie wissen, wie schwer es ist, in dieser Gegend etwas Möbliertes zu finden. Außerdem haben sie für mich eine Tutorin gefunden, die mir helfen wird, mich auf den Englischtest vorzubereiten. Ich kann es kaum glauben, mit so viel Unterstützung habe ich einfach nicht gerechnet.
Sie bieten mir an, gleich im Anschluss an unser erstes Treffen bei der Farm vorbeizuschauen, auf der das „Cottage“ steht, das sie für mich ausgesucht haben.
Gesagt getan. Wir fahren ca. 10 Minuten zu der Farm und ich lerne meine neuen Vermieter kennen.
Das „Cottage“ ist ein kleines Häuschen, vollständig möbliert, mit einem Wohnzimmer und großer offener Küche (ebenfalls komplett ausgestattet), zwei Schlafzimmer, Bad und WC, Hauswirtschaftsraum mit Waschmaschine und Trockner.
Von der Veranda aus gucke ich auf eine Weide, auf der Galloway- und Highland-Kühe stehen, im Hintergrund sieht man die Tararua Range. Und, die Miete ist im Vergleich zu der unmöblierten Wohnung in Levin sogar noch etwas günstiger.
Mein Entschluss steht fest: Hier werde ich morgen einzuziehen...
In Levin angekommen 23.04.2010
Nach dem Auschecken aus dem Kingsgate Hotel in Palmerston North ziehe ich mit meinen wenigen Sachen, die ich im Flugzeug mitnehmen konnte, im „Cottage“ auf der Farm von Diane und Errol ein (man spricht sich hier üblicherweise mit dem Vornamen an).
Ich werde überaus freundlich aufgenommen und gleich für den ersten Abend zum Essen eingeladen. Dabei lerne ich Nils kennen, den deutschen Austauschschüler, der bei Diane und Errol mit auf der Farm wohnt. Von ihm erfahre ich, dass er am nächsten Wochenende sein erstes Rugby-Spiel hat, zu dem ich natürlich auch gerne eingeladen bin.
So kommt es, dass ich mir am darauffolgenden Wochenende ein tolles Rugby-Spiel ansehe und die Sportbegeisterten Neuseeländer näher kennen lerne...
Woher diese Sportbegeisterung kommt, kann ich nur erahnen. Einige Kids fangen schon mit fünf Jahren an, Rugby zu spielen. Auch als Schulsport ist es sehr beliebt und natürlich will jedes Schulteam den Sieg davon tragen. Das Spiel erfordert vollen Körpereinsatz und kann nur durch Teamleistung gewonnen werden.
Ich bin froh und erstaunt, dass das Spiel ohne größere Verletzungen der Spieler zu Ende geht. Bis auf ein paar Prellungen und Verstauchungen ist niemandem etwas passiert. Nils ist total happy, denn seine Mannschaft hat gewonnen!
Am nächsten Morgen darf ich Errol bei der Arbeit zusehen, d.h. er zeigt mir, wie er die Kälber füttert. Dass ich gleich einen so hautnahen Einblick in die Landwirtschaft bekomme, hätte ich mir natürlich nicht träumen lassen...
Ich kann es immer noch nicht fassen, aber ich merke langsam, ich bin angekommen!