Montag, 6. Juni 2011

Eindrücke von der Südinsel



Diesmal geht es u.a. um:
Teamarbeit, auch hier das A und O
Mit der Fähre von Wellington nach Picton
Wandern auf dem Abel Tasman Track
Nelson und Umgebung
Schon fast Vergessenes holt mich ein



   
Meine Arbeit als Hausarzt macht mir auch nach einem Jahr Aufenthalt in Neuseeland uneingeschränkt Spaß. Die Gründe hierfür sind vielfältig: 

-    Das Arbeitsklima ist angenehm und meine tägliche Arbeitsbelastung wird auf einem Niveau gehalten, welches ein entspanntes Arbeiten zulässt.

-   Von bürokratischem Ballast bin ich weitgehend befreit.

-   Ich werde vom Praxis-Team sehr gut unterstützt und kann mich im Wesentlichen um die medizinische Behandlung meiner Patienten kümmern.

-   Von keiner Institution werde ich als „Sparkommissar“ benutzt, mir wird stattdessen eine hohe Wertschätzung als kompetenter Ansprechpartner bei medizinischen Fragen entgegengebracht.

-   Auch in diesem Gesundheitssystem gibt es begrenzte Ressourcen. Bei der Behandlung von Patienten (z.B. bei der Verordnung von Medikamenten) geht es an erster Stelle darum, was meine Kollegen und ich aus medizinischer Sicht für sinnvoll und erforderlich halten. 

-   Es wird eine fachlich sehr anspruchsvolle Arbeit von mir erwartet, für die mir eine hohe Wertschätzung entgegen gebracht wird, und das nicht nur von den Patienten sondern von allen Entscheidungsträgern, mit denen ich direkten oder indirekten Kontakt habe.



(Wellington)

Auch die kollegiale Zusammenarbeit ist anders gestaltet, als ich es in Deutschland kennengelernt habe.

Das Primärarztsystem sorgt dafür, dass Fachärzte nur dann konsultiert werden, wenn der Hausarzt eine medizinische Notwendigkeit darin sieht, einen Überweisungsbrief zu schreiben. Sogenannte Wunschüberweisungen, und dazu noch vielleicht mehrere auf einmal, werden hier nicht ausgestellt.

Aber natürlich gibt es auch hier Patienten, die Anliegen haben, welche der „General Practitioner“ mit seinen hausärztlichen Kompetenzen nicht hinreichend untersuchen oder behandeln kann.

Grundsätzlich wird hier allerdings erst mal der Hausarzt aufgesucht und im Rahmen einer 15minütigen Konsultation wird beraten, welche diagnostischen Schritte vom Hausarzt bzw. von der „Registered Nurse“ oder „Nurse Practitioner“ veranlasst und welche therapeutischen Maßnahmen eingeleitet werden können. Erst wenn mit den verfügbaren Bordmitteln das Anliegen nicht befriedigend geklärt werden kann, wird erörtert, welche weitergehenden Facharztkonsultationen notwendig sind.



 (Wellington)

Eine für mich bisher nicht bekannte Form der Fachärztlichen Beratung habe ich in Form einer virtuellen Praxis kennengelernt. Aufgrund der begrenzten Anzahl an Fachärzten sind Überweisungen zu Fachärzten meist mit langen Wartezeiten verbunden.

Hier ein Beispiel aus meiner täglichen Praxis, bei dem ich feststellen konnte, dass auch mit begrenzten Ressourcen eine gute Versorgung organisiert werden kann:

Eine Patientin mit chronischen Kopfschmerzen überwies ich zum Neurologen, nachdem meine diagnostischen Möglichkeiten erschöpft und keine ausreichenden Therapieoptionen gefunden waren. Ich schrieb also einen ausführlichen Überweisungsbrief mit allen Vorbefunden und meinen differentialdiagnostischen Überlegungen.

Kurze Zeit später, erhielt ich einen sehr ausführlichen Facharztbericht zurück, ohne dass die Patientin von einem Facharzt angesehen wurde. In dem Schreiben wurde mir mitgeteilt, dass aufgrund der vorhandenen Kapazitäten eine kurzfristige Untersuchung der Patientin leider nicht möglich sei. Man sei aber bemüht, einige generelle Empfehlungen auszusprechen, wobei auf die von mir erhobenen Befunde und Therapieversuche detailliert eingegangen wurde.

Ich erhielt mit dem Schreiben ein paar konstruktive bzw. weitergehende Empfehlungen für die Betreuung der Patientin. Es handelte sich zum Teil um standardisierte Untersuchungs- und Behandlungsempfehlungen, welche aber für die hier vorliegende, individuelle Situation angepasst wurden. Für den Fall dass weiterer Beratungsbedarf besteht, wurde eine Telefonnummer mitgeteilt, über die ich einen Fachkollegen erreichen könnte.

Natürlich ist eine solche Form der virtuellen Betreuung nur bei relativ einfachen Behandlungsanlässen möglich. Der Patientin wurde damit eine mehrwöchige Wartezeit erspart. Mir als behandelnden Hausarzt wurde eine Handlungsanleitung zur Verfügung gestellt, welche meine Arbeit durchaus unterstützt hat.




 (Wellington)


Im Arbeitsalltag merke ich immer wieder, dass meine Arbeit nur im Team wirklich effektiv organisiert werden kann. Einen wesentlichen Beitrag leisten hier die „Nurses“. Arzthelferinnen bzw. Medizinische Fachangestellte, wie man sie in Deutschland kennt, gibt es hier nicht.

Hier wird die Arbeit sehr klar getrennt nach administrativen Tätigkeiten (Anmeldung, Schriftverkehr, Abrechnung), welche von den „Receptionists“ übernommen werden, und nach medizinischer Versorgung, welche von den „Registered Nurse“ und den Ärzten organisiert wird. Durch ihre hohe Qualifikation können die „Nurses” Aufgaben übernehmen, die in Deutschland teilweise nur Ärzten vorbehalten sind.

Die Ausbildung der „Nurses unterscheidet sich von der Ausbildung der Medizinischen Fachangestellten erheblich. Es handelt sich um eine dreijährige, universitäre Ausbildung, welche die „Registered Nurse“ mit dem „Bachelor” (Hochschulabschluss) beendet.

Darüber hinaus kann jede „Registered Nurse“ nach dem „Bachelor” eine 8jährige berufsbegleitende Weiterbildung zum  „Nurse Practitioner“ absolvieren und ist dann beispielsweise dazu berechtigt, für bestimmte Indikationen Medikamente zu verordnen, Rezepte auszustellen und zu unterschreiben.

Der Tätigkeitsbereich der „Registered Nurse“ ist sehr weit gefächert, angefangen von der sog. „Triage“, d. h. der Befunderhebung und Voruntersuchung des Patienten bevor dieser den Arzt sieht, Durchführung von weitergehenden Untersuchungen und Behandlungen (Seh- und Hörtests, EKG, Lungenfunktion, Abstrichentnahmen, anlegen von Verbänden, Gipsen, Wundversorgung einschließlich Naht, Behandlung mit flüssigem Stickstoff, Beratung bei chronischen Erkrankungen wie Asthma und Diabetes etc.), wieder Einbestellen von Patienten zur 6monatigen Überprüfung von Dauermedikamenten, bis zur Befundübermittlung von Labor und/oder Röntgenergebnissen nach Rücksprache mit dem Arzt.

Erst durch diese auf Teamarbeit ausgerichtete Zusammenarbeit mit den „Registered Nurses“ ist der „General Practitioner“ in der Lage, sich im wesentlichen auf das Gespräch mit dem Patienten und die zum Teil sehr komplexen Anliegen zu konzentrieren.

Ergänzt wird dieses Zusammenspiel durch den Computer und das Programm „MedTech“, welches alle Vorinformationen und Befunde „at the finger tip“ bereit hält und verarbeitet. Ohne Computer geht hier nichts mehr ...

Damit keine Missverständnisse aufkommen, es ist hier nicht alles besser oder schlechter, sondern manches ist anders organisiert, mit allen Vor- und Nachteilen die ein anderes Gesundheitssystem mit sich bringt :-)




 (Wellington)



Mit der „Interislander” - Fähre von Wellington nach Picton, Aufenthalt in Nelson 22.01. bis 25.01.11

Um halb sieben klingelt mein Wecker. Nach dem Frühstück packe ich noch ein paar Sachen zusammen bis nichts mehr in meine Taschen geht. Ein paar Brote für unterwegs, einen Apfel und etwas Wasser, obwohl man eigentlich überall etwas zu trinken kaufen kann, aber man weis ja nicht was unterwegs alles passieren kann...

Die Fährverbindung zwischen Wellington und Picton soll aufgrund der starken Winde und Strömungen eine der schwierigsten Verbindungen zwischen zwei Inseln sein.  Man versicherte mir glaubhaft, der Fährverkehr würde vorher eingestellt werden, wenn die Witterungsverhältnisse zu widrig sind

Mit dem Auto fahre ich in den Hafen von Wellington und stelle das Auto auf einem Parkplatz in der Nähe des Fähranlegers ab. Eine kurze Strecke gehe ich zu Fuß zum Terminal von „Interislander“. Das ist einer der beiden Fährbetriebe, die regelmäßig zwischen Wellington und Picton hin und her fahren.

Nach kurzer Wartezeit kann ich zusammen mit den anderen Passagieren die Fähre besteigen. Das Wetter ist optimal. Es ist relativ windarm, etwas bewölkt und zwischendurch  scheint immer wieder die Sonne. Das verspricht einige ruhige Überfahrt zu werden.






Nach kurzer Zeit verlässt das Schiff den Hafen von Wellington.  Ich habe Glück und erlebe eine dreistündige Überfahrt auf ruhiger See.
Die Einfahrt zu den Fjords, durch die wir nach Picton fahren sind etwas Wolken verhangen, trotzdem haben wir eine tolle Aussicht vom Deck aus.







Ob die Schafe auf dem Transporter die Überfahrt auch so toll finden, kann ich natürlich nicht beurteilen. Die Fahrt nach Picton verläuft sehr ruhig. Im Hafen angekommen verlässt der Transporter mit den Schafen als einer der Ersten die Fähre.





Ich werde am Anleger schon von dem freundlichen Mitarbeiter der Autovermietung erwartet. Kurze Zeit später habe ich meinen Mietwagen in Empfang genommen und mache mich auf den Weg nach Nelson, wo ich die nächsten Tage wohnen werde um mir die nähere Umgebung ansehen zu können.

Ich nehme nicht die kürzeste bzw. direkte Strecke nach Nelson, sondern wähle eine kurvenreiche Straße, welche entlang des Queen Charlotte Sound verläuft. Der Umweg lohnt sich alle mal, denn man wird mit einer fantastische Aussicht belohnt.







Im Hotel angekommen bin ich erst mal froh, dass ich meine Füße hochlegen und den Tag ausklingen lassen kann. Das viele Kurven fahren fordert volle Konzentration. Da ist man dann irgendwann froh, einfach nur anzukommen...


Abel Tasman Track, 23.01.11

Die gesamte Strecke von 51 km werde ich nicht wandern können, dafür reicht meine Zeit dieses mal nicht, aber wenigstens einen Teil möchte ich mir ansehen. Ich fahre bis Marahau und buche eines der Wasser-Taxis, die nach einem festen Fahrplan zwischen den einzelnen Haltepunkten hin- und herfahren. 

Man kann sich zwischen unterschiedlich langen Strecken entscheiden, lässt sich irgendwo absetzen, wandert eine selbst gewählte Dauer bis zum nächsten Haltepunkt und wird zu einem vorher vereinbarten Zeitpunkt wieder abgeholt. Denkbar einfach organisiert. Wenn dann auch noch das Wetter mitspielt ...

Mit einer Schwimmweste versorgt besteigen wir das Wasser-Taxi. Alles noch mit festem Boden unter den Füßen, denn das Boot wird auf einem Anhänger transportiert, von einem Trecker gezogen und anschließend zu Wasser gelassen. 






Und schon geht es los. Man hat nicht viel Zeit darüber nachzudenken, ob man seekrank wird oder nicht, sondern muss sich ordentlich festhalten, um nicht von den Wellen hin und hergeworfen zu werden. Nach einer halben Stunde Fahrt werden wir an einem Strand abgesetzt.





 
Verlaufen kann man sich nicht, es geht auf einem sehr gut ausgeschilderten Wanderweg immer an der Küste entlang. Der Blick auf’s Meer und die Küste ist einfach unglaublich. Ab und zu trifft man mal andere Wanderer, der Abel Tasman Track scheint sehr beliebt zu sein.






 
Unterwegs regnet es zwischendurch mal, hört aber auch gleich wieder auf. Das Wetter ist auch hier sehr wechselhaft.





  

Nach einer etwa zweistündigen Wanderung komme ich am vereinbarten Punkt an, wo das Boot mich wieder einsammeln wird. Nach kurzer Wartezeit kommt auch schon das nächste Boot und nimmt mit mir zusammen etwa neun Wanderer auf und bringt uns zum Ausgangspunkt zurück.





 
Mittlerweile hat sich das Wetter zu einem ungemütlichen Sturm entwickelt, na das wird bestimmt eine ungemütliche Rückfahrt. Und so ist es dann auch eine etwas wackelige Angelegenheit bis wir endlich wieder festen Boden unter den Füssen haben.

Für einen Tagesausflug ist der Abel Tasman Track sehr gut geeignet. Natürlich würde ich auch gerne an einer mehrtägigen Wanderung teilnehmen. Da ich aber nur ein verlängertes Wochenende Zeit habe, begnüge ich mich mit diesem ersten Eindruck von den Wandermöglichkeiten auf der Südinsel Neuseelands.
Macht auf jeden Fall Lust auf mehr...



Nelson und Umgebung, Wainui Falls 24.01.11

Das Wetter ist heute mal wieder traumhaft, genau richtig um von Nelson einen Ausflug in Richtung Abel Tasman National Park und weiter Richtung Golden Bay zu machen.

Die Straßen sind wie so oft in Neuseeland sehr kurvenreich. Landschaftlich hat die Südinsel noch weit mehr Abwechselung zu bieten als die Nordinsel. Der Blick von den Bergen herunter auf das Meer ist grandios. Auf den Straßen sind hier deutlich weniger Fahrzeuge unterwegs, so dass ich mich manchmal frage, ob ich noch auf der „richtigen“ Straße bin.






 
Kurz vor Takaka biege ich rechts ab und fahre auf einer sehr schönen Küstenstraße entlang der Golden Bay, an der sich viele kleine Badebuchten befinden.
Irgendwann geht die Straße in eine Schotterpiste über und ich sehe ein Schild, welches auf einen Wanderweg zu den Wainui Falls hinweist.







 
Nach dem vielen Autofahren bin ich froh, mal wieder meine Beine vertreten zu können. Der Wanderweg ist sehr gut ausgeschildert, zwischendurch zeigen immer wieder Schilder an, wie weit es noch bis zu dem Wasserfall ist. Es ist ein teilweise sehr schmaler Pfad, welcher mitten durch den Wald führt.
Kurz bevor man zu den Wainui Falls kommt, geht es über eine Hängebrücke. Mit unendlichem Vertrauen in die Haltbarkeit der Brücke überquere ich den Fluss und bin tatsächlich nach 40 Minuten am Wasserfall angekommen.











 
Auf dem Rückweg geht es natürlich wieder über die gleiche Hängebrücke zurück, diesmal mit noch mehr Vertrauen, denn die Brücke hat ja schon einmal bewiesen, dass sie mich trägt.

Als ich abends im Hotel ankomme bin ich ziemlich geschafft von dem vielen Kurven fahren, dem Wandern und dem langen Tag, der hinter mir liegt mit so vielen Landschaftseindrücken und Erlebnissen. Morgen muss ich früh raus, denn ich möchte natürlich nicht zu spät in Picton an der Fähre eintreffen...



Von Picton nach Wellington 25.01.11

Schade, so ein verlängertes Wochenende ist leider viel zu schnell vorbei. Für den Rückweg ist das Wetter optimal. Wieder strahlend blauer Himmel, so dass die Landschaft unterwegs sowie der Queen Charlotte Sound heute noch beeindruckender ist.





 
Im Hafen von Picton warten die Fähren schon. Ich gebe noch schnell meinen Mietwagen ab und werde anschließend von der Mitarbeiterin der Autovermietung direkt zum Anleger gebracht. 

Das Gepäck gebe ich wie auf der Hinreise am Terminal ab. Es wird während der Überfahrt im Gepäckraum verstaut, so dass ich auf der Überfahrt nur einen kleinen Rucksack mit meiner Kamera bei mir habe. 

An Bord gibt es jede Menge Unterhaltungsmöglichkeiten. Wer nicht die schöne Aussicht genießen möchte, kann sich z.B. einen Kinofilm ansehen, in einem der Restaurants essen gehen oder in einem der Ruheräume ein Nickerchen halten.

Ich lasse mir den tollen Ausblick natürlich nicht entgehen und nehme wieder viele Bilder auf...







 
Der Ausflug nach Nelson und Umgebung war für mich ein Vorgeschmack auf weitere Erlebnisse auf der Südinsel von Neuseeland. Die nächste größere Tour, die ich plane, wird eine geführte Wanderung zum Milford Sound sein. 

Mehr darüber beim nächsten Mal...





Und plötzlich wusste ich wieder, warum ich weggegangen bin! 29.01.11

Es ist schon mehr als ein Jahre her, dass ich meine Praxis abgegeben habe. Worte wie Kassenärztliche Vereinigung, Prüfungsausschuss, Krankenkasse oder Regressgefahr, früher tägliche Begleiter meines Kassenarztdaseins, waren in der Zwischenzeit aus meinen Gedanken vollständig verschwunden.

Ärzte für ihre Verordnungen persönlich haftbar zu machen, erschien mir damals wie heute so abwegig wie der Gedanke, von Feuerwehrleuten Geld für zu viel verbrauchtes Wasser zu fordern. 

Was medizinisch notwendig ist, muss der Arzt entscheiden können. Ohne Angst vor Regress. Angst ist kein guter Ratgeber. Wer täglich mit einem Regress rechnet, hat keinen klaren Kopf mehr für die vielen individuellen Entscheidungen, welche Behandlung medizinisch notwendig und sinnvoll ist.

Besonders für angehende Mediziner ist es überhaupt nicht motivierend, sich für einen Beruf zu entscheiden, der erhebliche Haftungsrisiken birgt. So wird man keinen Nachwuchs für die in Ruhestand gehenden Hausärzte gewinnen.

Kurz vor Ende meiner Praxistätigkeit hatte ich ein Schreiben vom sogenannten Prüfungsausschuss erhalten. Es ging um die Verordnung von Medikamenten im Jahre 2008. Ich wurde zu einer Stellungnahme aufgefordert, warum ich etwas verordnet hätte, was laut Arzneimittel-Richtlinien nicht verordnungsfähig sei.

Ich nahm mir die Zeit und stellte die besondere Situation der Behandlung in einem ausführlichen Schreiben dar (ein schwergradig behinderter Patient mit einer extrem seltenen Erkrankung, spürbare Beschwerdenlinderung durch das verordnete Medikament). Insbesondere verwies ich auf die mir vorliegenden Vorbefunde und die während meiner Betreuung des Patienten festgestellte Zustandsverbesserung hin.

Damit war für mich der Fall erledigt. Da ich in der Zwischenzeit nichts weiter vom Prüfungsausschuss gehört hatte, war ich davon ausgegangen, die Sache sei im Sande verlaufen. 

Zumal der Betrag, um den es hier ging, lächerlich klein war. Oder rechtfertigt etwa ein angeblicher Schadensbetrag von 83,36 € den Aufwand, viele Seiten Papier zu bedrucken, die mit einem Arbeitsaufwand produziert werden, der diesen Wert sicher weit übersteigt?
Dass Bürokraten so sorglos mit Ressourcen umgehen, konnte ich mir beim besten Willen nicht vorstellen.

Weit gefehlt! Heute traf ein Schreiben ein:
Drei Jahren und fünf Monate, nachdem ich das Medikament verordnet und immerhin ein Jahr und acht Monate nachdem ich meine Stellungnahme abgegeben hatte, erhalte ich doch tatsächlich einen Regressbescheid!

Tröstlich, dass gegen einen solchen Bescheid Klage beim Sozialgericht erhoben werden kann.
Zu solch einer fortgesetzten Ressourcen-Verschwendung lasse ich mich allerdings nicht hinreißen.

Mir stellt sich die Frage, ob es in Deutschland immer noch zu viele Ärzte gibt, dass man es sich leisten kann, sie so zu behandeln?






Wirtschaftlichkeitsprüfung


Die Prüfung bringt es an den Tag,
auch wenn es kein Arzt hören mag.
Sie suchen ihn, den Übeltäter,
was daraus wird, das sehn sie später.

Sie prüfen Ärzte in der Masse,
die Wachsamen der Gesundheitskasse.
Die Prüfung hat ein klares Ziel,
dass Ärzte nicht verordnen viel.

Sieh da, im Juli zweitausend und acht
hat doch ein Arzt was falsch gemacht!
Haben’s „gleich“ bemerkt, wie sie sich freuen,
zehn Monate später, im Mai zweitausendneun.

Zur Stellungnahme fordern wir Sie auf ...
Sonst nimmt der Regress seinen Lauf...
Der Schaden beträchtlich,
das ist verächtlich.

„Fordern umgehend Rechtfertigung vehement,
für einen Schaden von 83 Euro und 36 Cent“.
So antwortet der Delinquent,
der einen Schaden nicht erkennt.

Mit besten Absichten habe er gehandelt,
Versichertengelder in Medizin verwandelt.
Nur für schwer Kranke trat er ein!
Wo soll denn da ein Fehler sein?

Stellungnahme hin, Abwägung her,
nach Aktenlage ist das nicht schwer,
am grünen Tisch sieht man es klar,
was hier ganz klar der Fehler war.

Zur Prüfung was kann hier wohl dienen?
Es sind die gültigen Arzneimittel-Richtlinien!
Und reicht dies nicht, nimmt man partout,
noch Lauer Taxe und Therapiestandards hinzu.

Es wird geprüft, verglichen und geschrieben,
bis keine Argumente mehr übrig blieben:

Von der Verordnung ausgeschlossen,
nicht als Ausnahme zugelassen,
nicht schwerwiegend (genug) erkrankt,
nicht als Therapiestandard anerkannt.

So kommt es wie es kommen muss,
am Ende gibt es den Beschluss:
Ich kann’s nicht fassen bis zuletzt.
Der Regress wird hiermit festgesetzt!