Sonntag, 24. Oktober 2010

Stürmische Zeiten

Diesmal geht es u.a. um:
Kapiti Coast
Cannon Point Walkway
Erfahrungen und Lehrgeld zahlen





Wanderung auf dem Cannon Point Walkway im Hutt Valley, Wellington 04.09.10

Brrrr, heute morgen ist es noch richtig frisch draußen. Nachts ist es wieder reichlich abgekühlt, auf 4 Grad. Dafür werde ich morgens früh mit Sonnenschein geweckt! Total klares Wetter haben wir, so dass ich die schneebedeckten Berge der Tararua Range viel besser sehen kann als sonst.




Bei so schönem Wetter überlege ich nicht lange, sondern suche mir eine der vielen Wanderungen raus, die auf meinem Zettel der Unternehmungen steht, die ich schon immer mal machen wollte. Der Cannon Point Walkway im Akatarawa Forest soll es heute sein. Einen schönen Ausblick auf das Hutt Valley und auf Wellington soll man von dort oben haben.
So steht’s jedenfalls in der Wegbeschreibung, die man in einem der vielen „iSite“ Informationszentren erhält.

Auf der etwa einstündigen Fahrt zum Ausgangspunkt des Cannon Point Walkway fahre ich über die Paekakariki Hill Road. Von dem ersten Aussichtspunkt an der Bergstraße, die bei Paekakariki Richtung Upper Hutt und Wellington abzweigt, hat man einen tollen Ausblick auf die Küste vor Kapiti Island.
Heute ist es so klares Wetter, dass man sogar die Berge der Südinsel am Horizont sehen kann.



Richtung Norden liegt Kapiti Island und die Kapiti Coast. Wie man sieht, ist der Strand unendlich lang und die Strandspaziergänge können es auch sein, wenn man genügend Zeit mitbringt.



Ich fahre die sehr kurvige Paekakariki Hill Road immer weiter entlang und bin mal wieder hin und weg von den Natureindrücken in dieser Region. Gelegentlich sehe ich einzeln stehende Häuser in dieser sonst menschenleeren Gegend und frage mich, wie Leute gerade hier auf die Idee kommen können, ein Haus zu bauen und völlig abgeschieden zu leben. Es ist zwar nicht sehr weit bis Wellington entfernt, aber für mich Stadtmenschen ist es unvorstellbar, so weit außerhalb einer Stadt oder eines Ortes zu leben.

Auf der anderen Seite der Tararua Range, dort wo die Vororte von Wellington beginnen, stehen Häuser dicht an dicht gedrängt und ich habe den Eindruck, jedes Stückchen bebaubare Erde wurde parzelliert und in Bauland verwandelt.

Meinen Wagen stelle ich an einem öffentlichen Parkplatz ab, von dem der Cannon Point Walkway gut ausgeschildert losgeht.



Wie so häufig gibt es mehrere Wege, für die man sich entscheiden kann um ans Ziel zu gelangen. Heute habe ich den kurzen aber sehr steilen „zig-zag“-Weg und die „Valley View Road“ zur Auswahl. Ist doch klar, dass ich mich für die Valley View Road entscheide. Das klingt mir weniger anstrengend und ich bin ja nicht hier um schnell anzukommen.
Ich habe ja Zeit und möchte natürlich auch die schöne Aussicht genießen.



Scheinbar bin ich heute wieder der einzige unterwegs. Nur selten treffe ich andere Leute auf meinem Weg nach oben. Nach einem längeren Aufstieg werde ich mit einem wunderschönen Ausblick auf das Tal des Hutt River belohnt. Ich kann von hier aus bis nach Wellington blicken.

Was ich von hier oben allerdings auch sehen kann sind die vielen Häuser, die dicht an dicht gebaut wurden.



Nach dem Aufstieg habe ich mir eine kleine Rast verdient. Auf den umliegenden Berggipfeln liegt noch Schnee. Hier in der Sonne ist es angenehm warm. So warm, dass die Schmetterlinge um mich herum flattern und die riesigen Farne ihre ersten neuen Blätter bekommen.

Der Frühling müsste demnächst beginnen, sieht hier allerdings etwas anders aus, als ich es von Deutschland gewohnt bin. Die schönen Tage werden unterbrochen von heftigen Stürmen mit Regenschauern. Heute ist davon zum Glück nichts zu spüren.












Auf meinem Weg zurück zum Wagen gehe ich an riesigen Farngewächsen vorbei, die ca. 3 bis 5 Meter groß sind. Einige Strecken des Weges führen über Privatgelände, welches zu Fuß überquert werden kann. Schilder weisen darauf hin, dass die Wege nicht verlassen werden sollen und Hunde an der Leine zu führen sind.

Ich dachte immer, solche Schilder gibt es nur in Deutschland :-)






Auf meinem Rückweg nach Levin fahre ich der untergehenden Sonne entgegen und muss noch ein paar Aufnahmen von der Umgebung machen. Es gibt schon sehr schöne Gegenden hier, wo so viele Leute auf den umliegenden Hügeln wohnen möchten, dass ein Haus neben das nächste gebaut wurde.






Da in Wellington die Grundstückspreise relativ teuer sind, ziehen viele Menschen in die umliegenden Orte und nehmen es lieber in Kauf, jeden Tag mit der Bahn oder dem Auto zu fahren.



Da kann ich mich glücklich schätzen, in Levin nur wenige Minuten von meiner Arbeitsstelle entfernt zu wohnen. Verkehrsstaus sind für mich zu einem Fremdwort geworden. Auf meinen Ausflügen in den letzten Wochen habe ich kein einziges Mal im Stau gestanden!

Irgendwie muss es sich ja bemerkbar machen, dass Neuseeland „nur“ 4,4 Millionen Einwohner hat (16 pro km2) im Gegensatz zu Deutschland mit 81 Millionen Einwohnern (229 pro km2).





Erfahrungen für’s Leben 14.09.10

Es sind nicht immer die besten Erfahrungen, die man hier macht. Man lernt aber immer etwas Neues dazu und manche Erfahrungen sind leider nicht kostenlos.
Das ist Lehrgeld, welches man leider zahlen muss, wenn man sich auf unbekanntes Gebiet vorwagt.



Mir war schon bewusst, in einem für mich völlig fremden Land möglicherweise auch in Situationen zu kommen, in denen ich als Unerfahrener auch mal übervorteilt werde. Dass mir so übel mitgespielt wird, von Leuten denen ich mein volles Vertrauen geschenkt hatte, damit habe ich allerdings nicht gerechnet. Worauf sonst sollte ich mich den verlassen können, wenn nicht auf Informationen, die ich von scheinbar vertrauenswürdigen Menschen erhalten habe.

Wenn aber Versprechungen gemacht werden, die nicht eintreten oder sich Dinge völlig anders entwickeln als sie sich im Regelfall hätten entwickeln müssen, ist man enttäuscht, verärgert und mehr als stinksauer, nicht fair behandelt worden zu sein.

Zu einer fairen Behandlung gehört für mich u. a. eine adäquate Entlohnung für die geleistete Arbeit. Man versicherte mir von unterschiedlichen Seiten, der mir vertraglich zugesicherte Anteil am Praxisumsatz wäre durchaus ortsüblich und ich ging davon aus, gerecht behandelt zu werden.




Was ich zu diesem Zeitpunkt nicht wusste, waren genaue Angaben über die Zusammensetzung und die Größenordnung des Praxisumsatzes.

Zu Beginn meiner Tätigkeit in Levin erhielt ich einen für mich enttäuschend niedrigen Betrag ausgezahlt und dachte, es läge daran, als „Anfänger“ mehr Zeit zu benötigen und entsprechend weniger Patienten behandeln zu können. Das würde zumindest teilweise einen niedrigen Praxisumsatz erklären.

Nach etwas mehr als zwei Monaten musste ich leider feststellen, dass mein Einkommen sich weiterhin auf sehr niedrigem Niveau bewegte. Also unterhielt ich mich mit einigen ortsansässigen Kollegen über die sonst übliche Bezahlung von Locums (so heißen die Ärzte aus Übersee hier) und erfuhr auf diesem Wege, noch nicht mal die Hälfte des Ortsüblichen zu erhalten. Bingo. Das war Grund genug, den geschlossenen Vertrag sofort zu kündigen.

Eigentlich hatte ich gar nicht vor, sooo viel dazuzulernen! Das reicht mir erst mal an Erfahrungen. Diesen Fehler werde ich sicher kein zweites Mal machen.



Hausärzte werden in Neuseeland dringend gesucht. Der Versorgungsengpass ist vergleichbar mit der Situation in Deutschland. Ländliche Regionen sind auch hier stärker vom Hausärztemangel betroffen. Viele der frisch ausgebildeten Mediziner gehen erst mal ein paar Jahre ins Ausland, z.B. nach Australien, weil die Verdienstmöglichkeiten dort noch attraktiver sind.

Glücklicherweise gibt es aufgrund des Hausärztemangels in dieser Gegend unendlich viele Stellenangebote zur Auswahl und ich habe von sehr vielen Leuten weitreichende Unterstützung bekommen. Innerhalb von einem Tag erhielt ich zwei Stellenangebote mit Vertragsbedingungen, von denen ich vorher nicht zu träumen gewagt hätte.

Ich bin froh, diese Fehlentwicklung frühzeitig bemerkt und zügig meine Konsequenzen gezogen zu haben. Es wird also wieder einige Veränderungen geben, ich hoffe zum Besseren :-)
Jedem Kollegen, der in Neuseeland als Hausarzt arbeiten möchte, kann ich nur raten, sich den Vertrag ausreichend lange vor Arbeitsbeginn geben zu lassen.

Finger weg von Verträgen, die nur einen prozentualen Anteil am Praxisumsatz ausweisen. Es sollte aus dem Vertrag klar hervorgehen, welcher Betrag pro Stunde oder pro Session (so wird hier ein Arbeits - Vormittag oder – Nachmittag genannt) gezahlt wird, so dass man bereits vorher genau weis, welches Gehalt (hier üblicherweise vierzehntägig) vertraglich zugesichert wird.



Ich erfahre leider erst im Nachhinein, nicht der Erste zu sein, der in dieser Praxis so über den Tisch gezogen wurde. Das Ganze hat hier offensichtlich System und hat dazu geführt, dass schon mehrere Locums vor mir nach kurzer Zeit diese Praxis und meistens auch den Ort wieder verlassen haben.

Wegen einer Kündigungsfrist von vier Wochen kann ich die Praxis leider nicht sofort verlassen. Außerdem gefällt es mir hier sehr gut und möchte aus der Stadt nicht wegziehen. Ich werde also die nächsten vier Wochen weiter in dieser Praxis arbeiten, vorausgesetzt die Arbeitsbedingungen verschlechtern sich nicht noch weiter.

Die Zeit vergeht hier erfahrungsgemäß wie im Fluge und die vier Wochen werden ruck zuck vorbei sein. In der Zwischenzeit muss ich mich noch um viele Dinge kümmern (diverse Ummeldungen wegen der neuen Arbeitsstelle, Visum ändern, einen Wagen kaufen, da mein jetziger Wagen von der Praxis gestellt wurde).
Natürlich werde ich die Zeit auch für eine fundierte Rechtsberatung nutzen...



In den nächsten Tagen spreche ich mit vielen örtlichen Kollegen sowie mit Vertretern unterschiedlicher Organisationen. Alle schütteln nur den Kopf und sind peinlich berührt, als sie hören, wie sich die Praxisinhaberin mir gegenüber verhalten hat.

Viele der Leute, mit denen ich spreche, haben Bedenken, dass dieses Fehlverhalten ein schlechtes Bild auf ihre Stadt, die Kollegen oder ihr Land werfen könnte. Mit alledem hat es m. E. nichts zu tun. Ganz eindeutig handelt es sich um ein raffgieriges Verhalten von Einzelnen, die selber erst vor wenigen Jahren in dieses Land gekommen sind.

Gauner (wie Ulrich Wickert in seinem Buch „Gauner muss man Gauner nennen“ sehr schön beschreibt) gibt es überall auf der Welt und ich hatte eben das Pech, auf solche zu treffen.



Ab Mitte Oktober werde ich in einer anderen Praxis im gleichen Ort arbeiten. Zu deutlich besseren Konditionen mit einem Einkommen, etwa auf dem gleichen Niveau wie in Deutschland. Zu den Konditionen gehören u. a. geregelte Arbeitszeiten, bezahlter Jahresurlaub, eine entspannte Arbeitsatmosphäre mit ca. 25 bis 30 Patienten pro Tag und ein gut organisiertes Praxis-Team. Ich kann es noch nicht so recht glauben, aber meine ersten Kontakte und Eindrücke bezüglich der neuen Praxis sind alle sehr positiv.
Ich werde also in Zukunft hoffentlich bessere Erfahrungen machen.

Stürmische Zeiten gehen irgendwann auch mal vorbei...